Als ich meine erste richtige Autorenwebseite aufsetzte – und damit meine ich nicht die Seite, die ich 1998 auf Geocities hochgeladen habe – wusste ich, was ich wollte: Klare Linien, strenge Farben. Ich war eine unveröffentlichte Autorin, aber ich wollte trotzdem ernstgenommen werden, und zum Ernstnehmen gehörte ganz klar, dass meine Webseite nicht in Regenbogen- und Bonbonfarben daherkommen sollte. Alles, nur kein Klickibunti, war meine Devise, und so zog ich meine Seite in Grauschattierungen auf. Und ich finde immer noch, dass sie wirklich sehr stylisch war. Den gesamten Quellcode von Hollow Willow – die Domain hatte ich ursprünglich registriert, um unserer Kölner WG ein öffentliches Gesicht zu geben – hatte ich per Hand geschrieben, valides HTML, CSS und ein bisschen PHP, und ich fand, dass sie mich wirklich sehr gut repräsentierte.
Ich führte mein Autorenblog auf dieser Seite, postete ein paar Leseproben und Gedichte, aber als meine erste Veröffentlichung anstand, fand ich, dass diese Seite nicht professionell genug war. Schließlich sollte eine Autorin doch eine Domain verwenden, die so hieß wie sie selbst und nicht auf einem Wortspiel über einen Kölner Stadtteil basierte, vor allem, wenn man da längst nicht mehr wohnte. Und weil es mir endlich gelungen war, meinen Nachnamen als Domain zu registrieren, machte ich Nägel mit Köpfen und richtete mir eine neue Webseite ein. Ehrlich, ich liebe Webdesign und freue mich über jeden Anlass, da ein paar Dutzend Stunden hineinzuversenken. So richtete ich mir eine neue Webseite ein, mit einem verträumt-viktorianischen Design, denn mein Romandebüt war schließlich ein historischer Gaslichtroman, und ich wollte, dass mein Design auch zur Zielgruppe passen sollte.
So entstand die Seite, auf der wir heute stehen. Die viktorianische Tapete, mit der ich den Hintergrund der Seite tapeziert hatte, wich relativ schnell einem Grunge-Design, in dem ich mich persönlich besser wiederfand, und das verschnörkelte Logo wich einer Schriftart, die besser zu meinem selbstgewählten Image passte – nicht zu geleckt, ein bisschen noir, absolut ernstzunehmend, und vor allem: Nicht zu feminin. Ich war zwar noch ein Weilchen von meinem Coming-Out als nichtbinär und transgender entfernt, aber ich wollte schon 2016 ganz deutlich klarstellen, dass meine Bücher Fantasy waren und nicht »Fantasy von Frauen«.
Das war auch mein Thema, als ich 2016 meine neuen Autorenfotos aufnehmen ließ. Die Fotografin war phantastisch, spring voll auf mein Noir-Thema an, zwang mich nicht zu lächeln, als ich lieber grimmig und ernst dreinblicken wollte, und das Ganze litt nur ein bisschen darunter, dass es der heißeste Tag des Jahres war, fünfunddreißig Grad im Schatten, und mir buchstäblich die Suppe runterlief, auch wenn meine Fotografin ihren größten Ventilator aufstellte. Die Fotos wurden echt gut, wenn man davon absah, dass ich vor Hitze knatschrot im Gesicht war, und passten genau zu dem Image, dass ich mir verpasst hatte – maskulin, herb, ernstzunehmend, düster. Und in dem gleichen Thema zog ich meine Webseite neu auf, als ich 2021 auf WordPress umstieg und mich von handgeschriebenem Quellcode verabschiedete.
Und dann passierte etwas. Ich veröffentlichte ein Kinderbuch, und als meine Lektorin mich um mein Autorenfoto bat, um es auf die Verlagswebseite zu packen, verstand ich, dass mein Autorenfoto dafür nicht wirklich geeignet war – es war düster, grimmig, unnahbar und nicht wirklich einladend für Zehnjährige und deren Eltern. So schickte ich ihr stattdessen mein zehn Jahre altes vorheriges Foto zu, auf dem ich freundlich in die Kamera lächelte. Ich sah mir zwar nicht mehr ganz so ähnlich, aber es passte doch deutlich besser zur Zielgruppe. Und es war kein schlechtes Foto, auch wenn ich inzwischen eine andere Brille trug und meine Haare deutlich grauer waren.
Aber da blieb das Problem mit meiner sexuellen Identität. Das eine Foto war maskulin, aber zu düster. Das andere Foto war zugänglicher, aber zu feminin. Und als ich im Spätsommer 2024 meinen Mut zusammennahm und mir die Haare richtig, richtig kurz schneiden ließ, sah ich keinem der beiden Fotos mehr wirklich ähnlich. Es ist erstaunlich, was die kurzen Haare für mein Selbstbewusstsein getan haben! Auch wenn jeder Mann lange Haare haben kann und jede Frau kurze, fühlte ich mich mit der neuen Frisur wirklich viel mehr zuhause in meinem Körper. War ich vorher nur mit Hut in die Öffentlichkeit gegangen, fühle ich mich plötzlich wieder sicher genug, auch barhäuptig herumzulaufen. Es gibt ein Wort dafür: Gender Euphoria, das positive Gegenstück zur Gender Dysphoria, und ich genoss jede Sekunde davon.
Damit war klar, dass ich neue Autorenfotos brauchte. Die alten gehen auf die neun Jahre zu, es wird langsam Zeit, und so habe ich einen Termin gemacht bei der gleichen tollen Fotografin, die auch die letzten Fotos gemacht hat. Diesmal ist es nicht August, draußen liegt Schnee, und ich werde nicht mit nassgeschwitztem Haar vor der Windmaschine posieren müssen. Mein Plan war, dann auch die Webseite neu zu gestalten – aber ich konnte es nicht abwarten. Der Foto-Termin ist Dienstag, aber ich habe mich jetzt schon hingesetzt und die Webseite generalüberholt. Und sie ist bunt geworden. Sehr, sehr, bunt.
Meine Marke hat sich gewandelt über die letzten Jahre. Ich habe mit meinen Kinderbüchern Erfolge gefeiert, die mir im Erwachsenenbereich nie vergönnt waren – ich habe mit »Unten« den Wetzlarer Phantastikpreis gewonnen, ich habe vor vollen Aulen gelesen, und ich bekomme so tolle, liebe Zuschriften von Kindern, Erwachsenen und Lehrer:innen, wie ich mir das immer gewünscht habe. Vor allem aber bin ich mutiger geworden. Ich muss mich nicht mehr hinter einem Hut und einer grimmigen Miene verstecken, um sicherzustellen, dass man mich ernst nimmt – ehrlich, ich kann auch bunt und verrückt sein, ich darf auch mal ein bisschen lachen, ohne Angst haben zu müssen, jetzt gleich auf meine Rolle als Frau reduziert zu werden. Ich werde fünfzig in zwei Monaten, ich muss mich nicht mehr verkleiden, um der Welt zu zeigen, wer ich bin.
So setzte ich mich ans Webdesign. Mein Logo wurde bunt, bunt, bunt. Es ist die gleiche Schriftart, die ich vorher in dem Noir-Grunge-Design hatte, ich finde, sie passt gut zu mir, aber ich mag die neuen Farben, und ich gestaltete die neue Webseite komplett um sie herum. Ich schöpfte aus den vollen, und ich genoss jede Sekunde des Prozesses, jeden Regenbogenverlauf, den ich in die Seite einbaute, und ich habe doch das Gefühl, dass es nicht klickibunti geworden ist, sondern ich immer noch ernstzunehmend bin. Aber ich finde mich in den Farben wieder. Ich schreibe Kinderbücher, und ich finde, die Webseite eines Kinderbuchautors darf farbig sein – und wo ich für Erwachsene schreibe, dürfen die ruhig wissen, dass ich queer bin, dass ich die Regenbogenfahne über meiner Webseite geschwenkt habe und ein bisschen Glitzer rausgerieselt ist.
Alles, was jetzt noch fehlt, sind die neuen Fotos. Ich hoffe, sie werden so, wie ich sie mir jetzt vorstelle – cool, geheimnisvoll, schräg, aber über all dem immer noch zugänglich. Ich bin ein Mensch mit vielen Schattierungen, und nicht alle davon sind grau.
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