Viel habe ich in diesem Jahr vor dem Nanowrimo über meine Vorbereitungen gepostet – und dann den ganzen Monat November lang nichts. Zwar hatte ich vor, hier über meine Fortschritte zu berichten – aber auch wenn ich das ganze Jahr über fleißig gebloggt habe, musste ich doch merken, dass neben einem Doppelnano-Pensum wenig Zeit bleibt, irgendwas anderes zu schreiben, auch keine Blogartikel. Und so gibt es hier statt eines fortlaufenden Berichts jetzt ein Recap des Monats, auf den ich mich das ganze Jahr über gefreut habe.
Das wichtigste vorweg: Ich habe gewonnen, zweimal, so wie ich mir das erhofft hatte. Aber nach einem Jahr, in dem ich kaum einen Monat lang nicht ein Nanopensum von mindestens 50.000 Wörtern geschrieben habe, wäre alles unter einem Doppelsieg auch eine Niederlage gewesen, wollte ich doch dem ohnehin schon erfolgrechen Schreibjahr die Krone aufsetzen. Und diese Voraussetzung hat mir einen Druck reingebracht, den ich besser nicht gehabt hätte.
In anderen Jahren bin ich hungrig in den Nano gestartet, um nach einer Durststrecke ein neues Schreibjahr kaltzustarten und mir Schwung zu holen für die nächsten zwölf Monate. Dieses Jahr war ich zum Start des Nanos schon vergleichsweise verbraucht. Ich hatte seit Beginn des Jahres mehr als 500.000 Wörter geschrieben, den T12 fertig in der Tasche, und an jedem einzelnen Tag mein Pensum von mindestens 1.370 Wörtern geschrieben, werktags, sonntags, feiertags. Und dass ich mir das ganze Jahr keinen Tag zum Durchatmen genommen habe, das hat sich gerächt in dem Monat, in dem ich dann spontan das Pensum verdoppelt habe.
Ja, jetzt stehe ich für 2023 bei über 640.000 Wörtern. Aber ich habe das Gefühl, dass ich einen hohen Preis dafür gezahlt habe. Und der Preis ist, dass sich dieser Nano über weite Strecken nicht wie ein Writers‘ Retreat angefühlt hat, sondern wie Arbeit, und harte Arbeit, was das betrifft. Was meine Auszeit von der Welt werden sollte, wurde eine viereinhalbwöchige Leistungskursklausur. Ich bin nicht unter der Belastungs zusammengeklappt, und ich blicke stolz auf das zurück, was ich in diesem Monat geleistet habe – aber ich bin erschöpft, und das erschöpfter als nach anderen Nanos.
Ich gebe die Schuld meiner Projektauswahl, zumindest, wo es um mein zweites Projekt geht. Das erst Buch, »Funkenschwarz«, war ein Glücksgriff. Ich hatte mich sehr intensiv auf meine Hauptfiguren vorbereitet, ich hatte das Leben im Zirkus recherchiert, ich hatte meine Tarotkarten, um mich auf Hellseher Yestin einzustimmen – und die erste Häfte des Monats über hat es genau so geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe. Dann kam die große Überraschung. Ich hatte damit gerechnet, dass Tresilean bis Ende des Nanos sein Abenteuer im Zirkus erleben sollte und nicht viel Plot jenseits dessen geplant.
Aber mein Zirkusplot hat dann doch nur für die ersten beiden Wochen gereicht – und plötzlich musste ich feststellen, dass ich für ein Steampunk- und Dark Academia-Buch viel zu wenig auf Steampunk oder Dark Academia vorbereitet war. Ich wusste nichts über das Institut, in das Tresilean eingeschleust wird, nicht, was genau er da sabotieren soll, und nichts über den Geheimbund, der ihn dorthin bringt. Mitten im Nano ohne Plot dastehen – das ist jetzt nicht toll, aber auch nicht so ungewöhnlich für mich, ich habe also viele Süßigkeiten gegessen, Kaffee getrunken und Schaumbäder genommen und den Rest des Nanos damit verbracht, immer gerade so eben genug Plot für die nächsten Tage zu haben – Business as usual für den Nano, sozusagen.
Am 24. November hatte ich meine 50.000 Wörter voll, ich hätte aufhören und mich die letzte Woche über zurücklehnen können, aber ich wollte mir alle Nanowrimo-Badges holen, ich wollte in der Kein-Blumentopf-Challenge im Tintenzirkel keinen Blumentopf gewinnen, und ich wollte meine Streak von über 2.000 Wörtern am Tag durchziehen – und das hat geklappt, und so hatte ich am Ende des Monats über 65.000 Wörter. Nur einmal, 2016 an der »Traumstadt«, habe ich in einem Monat mehr an einem Buch geschrieben, und es ist mir auch gelungen, die Geschichte mit einem echten Höhepunkt enden zu lassen, als es, allen Widrigkeiten zum Trotz, bei Yestin und Tresilean buchstäblich gefunkt hat.
Das ist ein schöner Punkt, um das Buch damit jetzt erstmal beiseite zu legen und andere sachen zu machen, denn der Nano war, trotz aller Arbeit, mein Spaßprogramm – für den Dezember habe ich andere Aufgaben, da muss ich die »Vierte Wand« fertigschreiben und überarbeiten, und auch wenn da zum Glück wirklich nicht mehr viel dran fehlt, will ich das doch zügig wieder in Angriff nehmen, um nicht um die Feiertage herum ins Schwimmen zu geraten. Und was das angeht, wäre ich gerade lieber ein kleines bisschen weniger erschöpft.
Die Schuld daran gebe ich meinem zweiten Nano-Projekt. 2021 hatte ich einen nicht so schönen Nano mit meinen »Tränenjägern« – ich habe zwar meine 50.000 Wörter eingefahren, aber ich hatte keinen Spaß daran. Was um alles in der Welt hat mich geritten, dann dieses Jahr im Nano den zweiten Band davon schreiben zu wollen? Meine Argumente waren nicht von der Hand zu weisen: Seit der Fertigstellung des ersten Bandes im April lag die Reihe auf Eis, und ich wollte nicht, dass sie gänzlich auf der Strecke bleibt – bei der »Neraval-Sage« hatte ich zu lange nur den ersten Band fertig, musste dann den zweiten unter großem Zeitdruck schreiben, und das wollte ich hier doch vermeiden.
Wir haben die Reihe im Rahmen der Frankfurter Buchmesse erstmalig angeboten, und auch wenn es noch zu früh ist, um irgendwas über Erfolg oder Misserfolg sagen zu können, wollte ich zusehen, dass ich bis zum eventuellen Erscheinen des ersten Bandes mindestens den zweiten auch schon fertig habe. Und um einen guten Start für das Buch hinzulegen, und um mich zu zwingen, mich endlich damit auseinanderzusetzen, dachte ich, es ist eine gute Idee, es in den Nano mitzunehmen, als mein Zweitprojekt. Und das hat mich dann doch derbst in den Hintern gebissen.
Ich hatte keinen Plot. Ich hatte nicht mal ein grobes Gerüst für einen Plot. Alles, was ich hatte, war die Endsituation des ersten Bandes – aber weil der, anders als »Das gefälschte Siegel«, nicht mit einem Cliffhänger geendet hat, konnte ich nicht einfach da weitermachen, wo ich aufgehört hatte. Und natürlich hatte ich meine mir wirklich wohlbekannten Hauptfiguren. Aber sonst hatte ich nichts, und das war in diesem Fall einfach zu wenig, um mich über einen Monat lang zu tragen. Was ich über weite Teile des Nanos geschrieben habe, war meine eigene Fanfiction.
Ich habe die Hauptfiguren aufeinander losgelassen und sie sich aneinander reiben lassen, kapitellang haben sie nur gegessen und miteinander geredet, bis ich immerhin eine Idee hatte, etwas Action reinzubringen, nur um dann wieder zu merken, dass ich Action nicht so gut kann, wie ich gerne würde. Eigentlich wusste ich nach der ersten Woche oder zehn Tagen, dass ich das falsche Projekt am Start hatte – meinem Romanthread im Tintenzirkel ist kaum jemand gefolgt, und ich mochte mein Geschriebenes zu wenig, um viel davon erzählen zu mögen – aber da war es zu spät, um das Projekt noch zu wechseln; ich hätte mit einem Ersatzprojekt keinen Sieg mehr einfahren können, und überhaupt hatte ich auch kein anderes Projekt in der Hinterhand.
In meiner Vorfreude auf »Funkenschwarz« hatte ich mich so sehr darauf konzentriert, dass ich keine Zeit hatte, mir noch etwas anderes auszudenken – schließlich habe ich den Oktober ja nicht nur mit Plotten für den Nano verbracht, sondern damit, an der »Vierten Wand« zu arbeiten, um mir einen Monat vor Abgabe des Buches eine Nano-Pause daran überhaupt erlauben zu dürfen. Und so, obwohl mir der Plot fehlte und ich zunehmend weniger Spaß an dem Buch hatte, habe ich mich durchgebissen und an meinen Tränenjägern gearbeitet. Und ich habe, am 30. November um elf Uhr nachts, den Nanowrimo damit auch gewonnen.
Es war ein ziemlich bitterer Sieg, weil ich wusste, dass ich von 50.000 Wörtern den Großteil nicht um ihrer Selbst Willen geschrieben hatte, sondern nur, um den Nano nicht in den Teich zu setzen. Ich wusste, dass ich einen Großteil des Geschriebenen nach Ende des Nanos in die Tonne kloppen würde – aber, auch dessen war ich mir bewusst, eben nur den Großteil und nicht alles. Und das heißt, nach einem Monat intensiven Blutens und Schwitzens über dem zweiten Band der »Tränenjäger«, habe ich einen Ansatz und Ideen, was in dem Buch passieren kann. Ich bin sozusagen jetzt da, wo ich besser schon vor dem Nano gewesen wäre. Und für den Fortgang der Geschichte im neuen Jahr erstaunlich optimistisch.
Auch vom 2021er Nano mit dem ersten »Tränenjäger«-Buch habe ich bestimmt die Hälfte nochmal neu geschrieben, viel verworfen, nochmal verworfen, dreimal, viermal geschrieben, und das Endergebnis ist ein Buch geworden, das ich echt gern habe. Und ich sehe echte Chancen, dass ich in einem Jahr oder so das gleiche über Band Zwei sagen werde. Ich habe diesen Nano das falsche Buch geschrieben, um eine gute Zeit zu haben. Ich wäre heute weniger erschöpft mit einem Buch, das mir einfach so aus der Hand geflossen wäre. Trotzdem bereue ich nichts. Ich habe mir in diesem Jahr gezeigt, dass ich diszipliniert arbeiten kann, dass kein Plot wirklich kein Problem ist und der Appetit buchstäblich beim Essen kommt.
Jetzt ist er rum, der Nano, und ich bin froh darüber. Länger als die 30 Tage, die der November hat, dürfte der Nanowrimo wirklich nicht sein. Im Dezember trete ich kürzer, strebe »nur« 45.000 Wörter an, will erst die »Vierte Wand« fertigschreiben und dann »Zornesbraut«, während ich parallel die »Vierte Wand« überarbeite und einsendefein mache, und ja, das ist auch ein volles Programm – aber ich bin immer noch gerne bei der Sache. Es ist immer noch mein Traumberuf. Nur ob ich mich nächstes Jahr nochmal zum Doppelnano zwinge oder es vielleicht doch ausnahmsweise mal langsamer angehe – das schau ich noch.
Morgen gehen wir essen, wieder bei unserem Lieblingsinder. Willkommen zurück in der welt, ist das Motto. Der Nano ist rum. Ich lebe noch. Und bin bereit zu neuen Taten.