Mein Name ist Ilisch, die unsterbliche Zauberin in der Neraval-Sage heißt Ililiané – da kann man leicht auf die Idee kommen, dass sie so etwas wie mein Alter Ego ist. Aber das stimmt nicht. Ililiané ist meine Rache.
Ich habe doch eigentlich einen einfachen Namen. Nur sechs Buchstaben, auf Russisch sogar nur vier, weil das sch ein eigener Buchstabe ist – easy peasy, sollte man meinen. Da haben es Kollegen von mir viel schwerer – meine Autorenfreundin Sabrina Železný schreibt sich mit zwei Sonderzeichen, die man nicht so einfach auf der Tastatur findet, und die arme Lisa Dröttboom hat mit Doppelvokal und -konsonant so viel Falschschreibpotenzial, dass die Leute, wo sie schon mal dabei sind, auch noch gleich ihren Vornamen verhunzen. Aber Ilisch, kann man da viel falschmachen? Spoiler: Man kann.
Der Name Ilisch hat deutschpolnische Wurzeln – meine ahnenforschenden Eltern vermuten, dass er auf das polnische Wort ulica, Straße, zurückgeht. Es ist kein besonders häufiger Name, gelinde gesagt – ein paar Dutzend Namensträger finden sich in Deutschland, und die sind alle mehr oder weniger mit mir verwandt. Und sie alle, wie ich auch, haben ein Problem: Die Leute schreiben den Namen ganz selbstverständlich mit Doppel-L und machen Illisch draus. Das ließe sich noch verstehen, wenn Illisch, im Unterschied zu Ilisch, ein gängiger, gebräuchlicher Name wäre – aber dieser Name existiert nicht. Niemand heißt Illisch mit Doppel-L. Und der Name wird auch nicht so gesprochen – das erste I ist lang.
Natürlich, es gibt noch diesen serbischen Schlagersänger, Bata Illic. Der ist nicht mit uns verwandt, aber dafür schreibt er sich mit Doppel-L. Und sprichst sich wie Illitsch, so dass ich vor allem in meiner Jugend, als dessen große Hits noch nicht so lange zurücklagen, gerne noch ein zustätzliches T spendiert bekommen habe. Ich habe gegen Bata Illic deutlich weniger als gegen Karel Gott, dem ich verdanke, dass mir dauernd dieses Bienenlied um die Ohren gehauen wurde, weil die Kinder das so lustig fanden (als ich ein Kind war, war der Name Maja so dermaßen ungebräuchlich, dass ich regelmäßig gefragt wurde, wie ich denn in Wirklichkeit heiße).
Jedenfalls habe ich schon in jungen Jahren gelernt, meinen Namen mit trotzigem Stolz zu verteidigen. Es war nicht einfach, der Name wurde öfter falsch als richtig geschrieben und im gleichen Zug dann auch falsch ausgesprochen. Der Gipfel war, als ich mit sechzehn eine neue Brille bekam. »Auf welchen Namen geht das?«, fragte die Optikerin.
»Ilisch«, antwortete ich.
»Wie buchstabiert sich das?«
»I – L – I – S – C – H«, erwiderte ich routiniert.
Das Gesicht der Optikerin hellte sich auf. »Ach so, Sie meinen Illisch!«
Als ich anfing, Bücher zu veröffentlichen, stand ich vor einer wichtigen Entscheidung: Mache ich das unter richtigem Namen, oder suche ich mir ein Pseudonym? Ich musste nicht lange überlegen. Ich hatte mich einmal an einen neuen Namen gewöhnen müssen, als ich fünf Jahre alt war und meine Eltern zum Standesamt marschierten, um das damals ganz neue Gesetz auszunutzen, dass auch der Name der Frau als Familienname gewählt werden darf, und ich von Maja Schroer zu Maja Ilisch wurde. Und das reichte mir dann an neuen Namen. Nicht mal bei der Hochzeit mochte ich mich von meinem Namen verabschieden – und für meinen Mann sah das genauso aus.
Auch Doppelnamen schieden für uns kategorisch aus, wollten wir uns doch unsere Würde erhalten: Von allen Männern mit seltenem Familiennamen hatte ich mir ausgerechnet denjenigen ausgesucht, dessen ebenfalls zweisilbiger Name in der Mitte ein Doppel-L hat, und am Ende ein CH. Und dann komme ich mit einem L und SCH – das hat das Falschschreiben aufs nächste Level gehoben. Wer einen Brief an uns beide schreiben muss, verzweifelt, wirft das Handtuch und schreibt dann der Einfachheit uns beide mit Doppel-L und SCH, da ist für jeden was dabei. Trotzdem, wir hängen an unseren Namen. Sie sind Teil unserer Identität. Vielleicht noch mehr als bei anderen, weil wir so dermaßen viel Zeit mit Buchstabieren derselben verbracht haben.
Für die Bücher galt das dann auch: Solange es sich irgendwie vermeiden lässt, kein Pseudonym für mich. Auch, oder gerade weil das alle falsch schreiben: Mein größenwahnsinniger Plan sah vor, derart berühmt zu werden, unter meinem richtigen, seltenen, unaussprechlichen Namen, dass den danach niemand mehr falsch schreiben würde, weder an mir, noch an einem meiner Namensvettern.
Acht Jahre und fünf Veröffentlichungen später buchstabiere ich den Namen immer noch. Kommentiere das Youtube-Video der tollen Lesung, die ich heute auf der Online-Buchmesse Saar hatte, mit der Bitte, den Namen im Titel zu korrigieren, weil ich mich nur mit einem L schreibe. Lese wunderschöne Rezensionen in Buchblogs, die den Namen falsch schreiben und dann für Suchmaschinen nicht unter meinem richtigen Namen zu finde sind. Und selbst meine Verlage machen nicht halt davor, mir zusätzliche Konsonanten zu spendieren – ich hatte sogar schon Coverentwürfe, auf denen der Name falsch geschrieben wurde. Bei der Hobbit Presse kann ich das sogar noch nachvollziehen – Namen mit I gibt es ohnehin nicht viele, das exquisite Programm ist nicht so groß, und dann haben die außer mir noch den Daniel Illger im Programm, der sich mit Doppel-L schreibt – da ist das fast noch entschuldbar. Aber eben nur fast.
Typographisch sind Namen, die mit Ill oder Ili anfangen, problematisch, weil sich, je nach Schriftart, großes I und kleines l zum Verwechseln ähnlich sehen, und wo dann die L’s aufhören und I’s anfangen, kann schlecht zu erfassen sein. An der Stelle haben sich alle Covergestalter bei meinen Büchern dann wirklich große Mühe gegeben, Schriftarten zu finden, bei denen I und L so unterschiedlich wie möglich aussehen. Aber retten tut mich das nicht. Die Leute lesen, und schreiben, trotzdem Illisch.
Und so habe ich, stolz und bockig, wie ich bin, meinen Lesern die Zauberin Ililiané auf die Nase gedrückt. Wenn ihr es nicht mal schafft, euch sechs Buchstaben zu merken, nehmt acht! Mit drei I’s und zwei L’s und einem Akzent am Ende. Es ist ein Köder. Wer auf diesem Namen herumkaut und versucht, ihn sich einzuprägen und auszusprechen, steckt danach meinen Namen ganz selbstverständlich weg und freut sich, dass der ein I und ein L weniger hat.
Zumindest war das der Plan. Im Klappentext vom »Gefälschten Siegel« wird sie Illiane genannt. Und wollt ihr was wissen? Ich habe es nicht gemerkt.
Liebe Frau Ilisch, wir sind Freunde Ihrer Eltern, mit denen wir vor ca. 45 Jahren als „Löwenzahn“ Musik gemacht haben. Wir haben jetzt noch ein Foto gefunden mit der kleinen Maja auf Mamas Schoß. Das aber nur nebenbei. Es ist schon ärgerlich, wenn man seinen Familiennamen falsch geschrieben oder ausgesprochen erleiden muss. Bei unserem Namen wird aus Heitkemper gern Heidkemper, Heitkämper oder Heidkämper gemacht. Und das von Personen, Vereinen oder Institutionen, die unsere Daten haben. Wir sind dazu übergegangen, Post mit fehlerhafter Anrede stante pede dem Mülleimer zu übergeben. Schließlich und endlich … Ihre Bücher sind großartig! Gudi und Udo aus Dortmund