2010 schrieb ich im Nanowrimo meine erste Romantische Fantasy, Geigenzauber, gewann den Nano, schrieb den Dezember durch und konnte im Januar 2011 verkünden, dass das Buch fertig war. Wirklich eine sehr, sehr einfache Geburt. Mit meinem Nanowrimo-Roman von 2014, Das Glasaugenhaus, sollte es genauso gehen. Eigentlich. Ich gewann den Nano, schrieb den Dezember durch, war im Januar 2015 fleißig – und dann, als dem Buch wirklich nur noch eine Szene fehlte, hörte ich auf. Einfach so. Ich hatte keinen bestimmten Grund dafür, es war nicht so, dass ich meine Geschichte auf einmal nicht mehr gemocht hätte, im Gegenteil, ich mochte sie sehr. Ich hatte nur keine Lust auf diese eine fehlende Szene. Es ging nicht mal um den Schluss, es war der Mittelteil des vorvorletzten Kapitels, um den ich einfach herumgeschrieben habe – aber diese Lücke füllte sich nicht von selbst, und so wie die Mimbari einfach mitten in der Schlacht umdrehten und nach Hause flogen, ließ ich das Glasaugenhaus liegen wie ein vor die Wand gefahrenes Wrack, das es nicht war.
Natürlich, ich sprach immer davon, das Buch endlich mal fertigzuschreiben, es fehlte doch wirklich nur eine Szene, ein Klacks, das kann ich zwischendurch machen – aber ich machte es nicht. In meiner »Watt kütt, dat kütt«-Liste für 2016 tauchte das Buch nicht einmal mehr auf, ich betrachtete es sozusagen als fertig ehrenhalber, aber es hat bis heute gedauert, bis ich mir wirklich den Ruck gegeben habe. Die fehlende Szene ist im Kasten, und wo ich gerade dabei war, habe ich den Schluss nochmal neu geschrieben – aber es fühlt sich nicht so an, als hätte ich gerade einen Roman fertiggestellt, mehr wie eine Kurzgeschichte, so losgelöst ist, rein zeitlich betrachtet, das, was ich heute geschrieben habe, von den restlichen rund 380 Seiten. Ich habe ja schon oft Bücher über ein Jahr lang unberührt liegen lassen, es gehört für mich zum kreativen Schaffensprozess, zwischendurch andere Ideen lieber zu haben, und wenn kein Auftrag dahintersteckt und eine Deadline, schreibe ich das, worauf ich gerade Lust habe. Aber ein Buch über ein Jahr lang liegenzulassen, nur um dann zwei Szenen zu schreiben und nie wieder etwas dran zu arbeiten – das fühlt sich schon sehr befremdlich an.
Jetzt ist das Buch also fertig, und ich weiß nicht so recht, wohin damit. Es passt nicht ganz zu meinen aktuellen und kommenden Veröffentichungen – es hat ein Spukhaus, aber es ist ein Jugendbuch mit zeitgenössischem Setting. Und es handelt von einer Liebesgeschichte, lässt sich aber aus verschiedenen Gründen nicht im Romantasy-Bereich positionieren: Dafür würde es ein Happy End mit Glücklichem Paar brauchen – ich habe dem Buch aber eine andere Art von Happy End verpasst, eine, die ich eigentlich schon vor fünf Jahren für Geigenzauber geplant hatte, damals aber am Widerstand meiner Protagonistin scheiterte, die andere Vorstellungen vom Schluss hatte als ich. Diesmal ziehen meine Heldin und ich am gleichen Strang, und ich bin sehr, sehr gespannt, wie meine Testleser auf das Ende reagieren würden.
Genauer: Allein für diesen Schluss würde ich dieses Buch doch sehr gerne veröffentlicht sehen. Ich weiß jetzt schon, dass mir Leser über Leser diesen Schluss um die Ohren hauen werden, genau wie das Ende des Puppenzimmers in erster Linie mir und meinem Lektor gefallen hat, aber es ist eine Geschichte, die ich unbedingt einmal erzählen wollte. Und ich denke, die Botschaft, dass ein junges Mädchen glücklich und stark sein kann, ohne dafür einen Kerl an der Seite zu brauchen, ist so verwerflich nun auch wieder nicht. Aber ich spiele nicht nach den Regeln der Romantasy, und dann sollte ich auch nicht versuchen, dieses Buch als Romantasy zu vermarkten. Es ist – in meinen Augen – ein Gegenwarts-Jugendroman mit Gruselelementen, in erster Linie psychologisch und in nur in zweiter Linie übernatürlich, aber die übernatürlichen Elemente sind doch zu stark, um das Buch einfach als »Contemporary Young Adult« zu vermarkten …
Ich schicke es jetzt erstmal an meine leidgeprüfte Agentin. Vielleicht hat sie Verwendung dafür. Vielleicht verschieben wir es auf später. Vielleicht machen wir es gar nicht – ich schreibe letztlich mehr, als veröffentlicht werden kann. Mal sehen. Aber das wichtigste: Jetzt ist das Buch erst mal fertig. Und ich auch.