Heute vor einem Jahr haben mein Mann und ich beim Notar gesessen und unser Traumhaus gekauft. Genaugenommen habe ich oben beim Notar gesessen, während mein Mann unten auf dem Parkplatz auf die Polizei gewartet hat, weil er es geschafft hat, ausfgerechnet an diesem Tag beim Einparken ein anderes Auto zu beschädigen – wirklich, der Tag war bemerkenswert, auch für den Notar, der Teil der Verhandlung übers Handy und durch Winken organisiert hat (zum Glück hat die Polizei meinem Mann dann erlaubt, oben weiterzuwarten, so dass wir noch einmal richtig anfangen konnten, ich hatte nämlich Angst, der Kauf könnte am Ende nicht rechtskräftig sein. Das jedenfalls war vor einem Jahr. Und am nächsten Donnerstag ziehen wir ein.
In der Zwischenzeit haben wir renoviert, was es zu renovieren gab. Alte Nachtstromöfen raus, neue Gasheizung rein. Alle Abwasserrohre erneuert und das Bad gleich dazu. Textilkabel durch moderne Elektrik ersetzt. Fußböden abgeschliffen. Alte Kacheln aufgearbeitet. Alte Tapeten runter, neue Tapeten drauf, anstreichen. Den Großteil haben Handwerker gemacht, aber ich habe sehr viel Zeit mit zuarbeiten verbracht – so dass mir dieses Jahr herzlich wenig Zeit zum Schreiben geblieben ist. Aber jetzt, wo es wirklich so weit ist, dass wir einziehen können, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass es wirklich schon so weit sein soll. Ich meine, wir haben doch gerade erst angefangen! Und ich habe kalte Füße. Unsere Wohnung in Aachen ist schon eigentlich sehr schön! Wollen wir hier wirklich weg?
Und dann sehe ich meinen Schreibtisch, eingequetscht in eine Ecke unseres Wohnzimmers und unter Stapeln von Papier begraben, für den ich keinen Platz zum abheften oder auch nur weglegen habe, und ich weiß wieder, warum wir eine größere Wohnung gesucht und uns dann gleich für ein ganzes Haus entschieden haben. Selbst für eine Hobbyautorin war das wenig Platz. Jetzt, wo ich Buchführung und Steuer zu machen habe und Verträge unterzeichne, die ich hinterher noch mal wiederfinden will, führt kein Platz um ein richtiges eigenes Arbeitszimmer herum. Und genauso sieht das mit meinem Mann aus, der noch studierte, als wir in Aachen zusammenzogen, und der mittlerweile im Homeoffice sitzt und dafür auch seinen Platz braucht. Ein Arbeitszimmer für jeden.
Mein Arbeitszimmer hat zwei Fenster und drei Türen – eine auf den Balkon (mit Burgblick), eine in den Flur und eine in mein Schlafzimmer. Dieses Haus ist wirklich mit Türen gesegnet! Es ist nicht der größte Raum des Hauses, aber ausreichend für meinen Schreibtisch (ein riesengroßes Profiteil vom Ikea, letztes Jahr gebraucht gekauft und seitdem im Kellerflur gelagert, weil es nicht durch die Tür unseres Kellerraums passt), ein paar Bücherregale, einen Aktenschrank und ein Skelett. Ich will endlich damit angeben können, ein Skelett neben meinem Schreibtisch stehen zu haben, und im medizinischen Fachhandel wird man schnell fündig. Dass der Raum einmal gebrannt hat, sieht man kaum noch – nur die Fußleiste ist an einer Stelle noch verkohlt. Hier ist einer von den Nachtstromöfen in Flammen aufgegangen, auch wenn das in keinem Zusammenhang mit dem Tod des Vorbesitzers steht. Ich kann es jedenfalls nicht erwarten, mich hier endlich einzurichten.
Aber noch überwiegt die Panik. Noch sind wir nicht umgezogen, noch sind wir nicht in Sicherheit – und was, wenn die Nachbarn garstig sind, oder das Haus hat noch irgendeinen Pferdefuß, über den wir noch nicht gestolpert sind, oder es spukt wirklich … Achtzig Regalmeter Buch ziehen mit uns um, dazu Musik-CDs,DVDs, archivierte Zeitschriftenjahrgänge – da muss ein Umzugsunternehmen ran, wir sind zu alt und intellektuell, um das noch alles selbst zu schleppen. Aber dann ist endlich ein Traum in Erfüllung. Mein eigenes Arbeitszimmer. Mein altes verwunschenes Haus. Meine Autorenbegegnungsstelle. Meine Villa Gorilla.