Über drei Wochen habe ich durchgehalten, mit Leichtigkeit das erste Buch über die Fünfzigtausendermarke geschoben, aber dann, so kurz vor dem Schluss, habe ich doch schlappgemacht. Ich bin erschöpft, schlaflos, alle im Kopf – kurz, platt. Vor allem ärgere ich mich über mich selbst. Vor drei Jahren musste ich erkennen, dass ich aus gesundheitlichen Gründen nur noch in Teilzeit arbeiten kann, aber ich hatte immer gedacht, dass für so eine Sache wie das Schreiben, das ich mehr liebe als alles andere, das nicht gelten würde. Ich will doch hauptberuflich schreiben, ich will davon leben können, ich will meine Tage damit verbringen – aber die Wahrheit ist, eine Schlagzahl von viertausend Wörtern am Tag halte ich auf die Dauer nicht durch. Ich brauche dafür am Tag ungefähr sechs Stunden, auch an Wochenenden, damit komme ich auf eine Wochenarbeitszeit von 42 Stunden – das ist Vollzeit, und Vollzeit packe ich nicht.
Was jetzt? Aufgeben? So kurz vor dem Ziel? Das kommt nicht in Frage. Es wäre ein großartiges Scheitern, nur noch ein paartausend Wörter zu brauchen, noch vier Tage Zeit zu haben und einfach alles hinzuschmeißen. Aber ich muss kürzer treten. Jeden Tag sechs Stunden schreiben plus eine Stunde Statistik für das Team Tintenzirkel, das packe ich nicht. Ich schmiede also Pläne, wie ich meinen Körper und Geist bis zum Monatsende austricksen kann. Dann schreibe ich an den Mohnkindern eben nur noch das aktuelle Kapitel zu Ende und konzentriere mich auf Geisterlied. Denn da ist etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Als ich da angekommen bin, wo der Hautplot anfängt, also da, wo eigentlich die Luzi abgehen müsste, wo die Szenen seit drei Jahren in meinem Kopf stehen, brach mir der Plot weg. Unlogisch, unsinnig, aber durch langjährige Planung so verhärtet, dass ich es nicht mehr umstellen kann. Da muss ich jetzt durch.