Es geht jetzt also tatsächlich auf das Ende vom Gefälschten Siegel zu, und entgegen allem, was ich meinen Agenten versprochen habe, nachdem es letztes Jahr diesen Kniest mit den Elomaran gab, wird das Buch mit einem Cliffhänger enden. Jawohl. Ich behelfe mir, indem ich die Trilogie zuendeschreibe, ehe sie auch nur einem Verlag angeboten wird, und dann stelle ich mir sowas vor wie Drei Band Im Schuber, dann wird sich auch kein Leser und kein Lektor wegen des Endes vom Band Eins beschweren (ach ja, das zweite Buch endet garantiert genauso offen).
Letztlich bin ich gut durchgekommen mit der Geschichte, nur einen Hänger hatte ich zwischendurch, und wenn ich mir so ansehe, was rausgekommen ist, deckt sich das doch ganz gut mit meinen ersten Plänen. Bis auf eine Sache, und die hängt mit Tymur zusammen. Gedacht war, daß Tymur das sanfte Unschuldslamm ist, der harmlose Diplomat, der jeden verblüfft und verwundert, wenn er sich am Ende des Siegels buchstäblich die Maske runterreißt und sein wahres Gesicht zeigt. Möööp. Chance vertan. Tym wirkt immer wieder unterschwellig bedrohlich, manisch-psychotisch, besessen, daß ich wette, meine Leser warten nur drauf, daß sowas passiert. Ich habe keine Lust, jetzt alles nochmal neu zu schreiben, und ich mag Tym, so wie er ist – also dreh ich jetzt den Spieß um und implementiere das.
Immerhin ist Tymur mein Ringträger. Gut, es ist kein Ring, es ist eine Schriftrolle, aber trotzdem. Da sitzt ein Dämon drin, der will rauskommen, und entweder nimmt er langsam Besitz von meinem schönen Prinzen, oder der wird vor Angst davor wahnsinnig. Egal, Hauptsache, die Schriftrolle ist Schuld. Und so zeigt Tymur jetzt zum Ende hin immer sprunghafteres Verhalten, daß ich ihm glatt etwas von meinen Medikamenten abgeben möchte. Er dreht am Rad. Er schiebt Panik. Er quält den armen Kev. Und er läßt keinen Zweifel daran, daß ihn diese entsetzliche Schriftrolle umtreibt. Ganz der Frodo, eben.
Nur – natürlich ist das in Wirklichkeit ganz anders. Tymur ist vielleicht wahnsinnig, aber nicht schwachsinnig. Er weiß, er wird bald einen Mord begehen, für den es dann mehrere Zeugen gibt, und diese Zeugen sind seine eigenen Verbündeten – und die sollen das hinterher noch weiter sein. Besser ihnen jetzt beibringen, daß er ein Opfer der Schriftrolle oder des darin befindlichen Erzdämons ist, als daß die sich zusammenreimen, daß sie mit einem mordlüsternen Psychopathen unterwegs sind, denn wenn Tymur gezwungen wäre, sie auch noch zu töten, würde das die folgenden Abenteuer deutlich erschweren…
Ach, jetzt freu ich mich richtig auf die letzten Szenen. Und erst recht auf das zweite Buch. Kommt Zeit, kommt Plot – Hauptsache, ich kann die Herr der Ringe-Fans ein bißchen an der Nase herumführen. Mein falscher Frodo ist von der Idee jedenfalls ganz begeistert. Und wer weiß, wenn Tymur die Schriftrolle noch länger mit sich rumträgt – vielleicht verwandelt er sich dann sogar in Gollum!