Es ist passiert, mal wieder. Bestimmt einmal im Jahr kommt es vor, daß ich den Plot für ein Buch träume, und nicht nur unmittelbar nach dem Aufwachen denke »Das muß ich unbedingt schreiben«, sondern auch noch Tage später. Anders als die meisten Träume, die sich bei Licht betrachtetet als Blödsinn herausstellen, sind bei mir manche tatsächlich das perfekte Drehbuch, und ich habe schon verschiedene Geschichten geschrieben oder zumindest zu schreiben angefangen, die auf Träumen beruhten: Eine Flöte aus Eis geht angeblich auf eine Traumidee zurück, wobei ich mich nicht mehr daran erinnere, das geträumt zu haben, sondern nur, wie ich von diesem Traum erzähle. Aber einige Werke-in-Arbeit habe ich definitiv geträumt, darunter die Groteske Sie sind schon tot, sagt Phoebe und das großartige Geisterlied, das im kommenden Jahr endlich über die Ziellinie geschrieben werden soll.
Es ist also nicht so, daß ich einen Mangel an zu schreibenden Geschichten hätte oder einen Mangel an Ideen, die mir auf wache oder schlafende Art gekommen sind, und ich weiß nicht, warum sich mein Unterbewusstsein die Mühe macht, einmal im Jahr einen neuen Plot aus dem Boden zu stampfen, aber hier bin ich, mitten im Nano, mit einer neuen Idee. Es ist zum Glück nur ein Grundgedanke, kein ausgefeilter Plot, aus dem sich aber bei Gelegenheit etwas machen läßt. Nur eben nicht sofort, weswegen ich mir jetzt hier die Mühe mache, die Eckpunkte zu notieren. Wäre doch ärgerlich, wenn ich das Ganze wieder vergäße oder nicht nachhalten könnte, wann ich das letzte Mal eine Idee aus einem Traum gezogen hätte!
Es scheint sich um ein klassisches Fantasysetting zu halten. Wir haben ein Herrscher/Kanzler/König, von dessen vier Kindern jedes eine der vier magischen Sphären meistert: Wolken, Schatten, Spiegel und Zeit. Die Wolkensphäre läßt den Zaubernden Wind und Wetter kontrollieren und bei Bedarf fliegen; Schatten manipuliert die Kräfte von Licht und Dunkelheit und die Tiefe der menschlichen Seele; Spiegel ist die Sphäre der Illusionen, von Schein und Wirklichkeit, und Zeit ist, wer hätte es gedacht, Zeit. Während die Spiegelsphäre wie die schwächste der vier wirken mag, ist sie doch die einzige, deren Anwendung keine Signatur hinterläßt, und ihren Anwendern wird schon aus Prinzip nicht getraut. Als ein schreckliches Verbrechen geschieht – der Vater wird ermordet? – ohne jede Spur geschieht, ist es mit dem Vertrauen zwischen den Geschwistern vorbei, schon weil sie in Wirklichkeit nichts übereinander wissen: Jeder von ihnen wurde, so ist es Tradition, adoptiert…
Ich weiß nicht, wie innovativ dieser Plot jetzt ist, aber es kommt ja immer drauf an, was man draus macht. Ob ich mich der Geschichte irgendwann annehme, kann ich noch nicht sagen, ich reihe sie mal hinten in der Schlange ein und schau dann, was draus wird. Ich mag die vier Sphären, gerade Spiegel haben es mir angetan, und ich glaube, diese vier Geschwister können interessant ausgearbeitet werden. Aber eigentlich möchte ich nicht schon wieder etwas über Königssöhne und Konsorten schreiben, ich mag normale Leute, ich bin ein normaler Mensch, und wie soll ich ein aufrechter Kämpfer für die Entrechteten und Geknechteten sein, wenn alle meine Bücher von irgendwelchen Prinzen handeln? Das ist ein grundsätzliches Problem, das ich mir mal in Ruhe vornehmen muß. Bis daher aber schiebe ich diesen Plot erst einmal ins Ideenarchiv und tue das, wofür der Monat November eigentlich da ist: Den Nanowrimo gewinnen.