Wie Mystery Trackers, scheint auch Penny Dreadfuls eine neue Reihe von Hidden Object Adventures zu sein, benannt nach den viktorianischen Vorgängern der Groschenromane. Sweeney Todd ist schon seit einigen Monaten auf dem Markt, und das merkt man dem Spiel auch an, denn es scheint irgendwo auf halbem Weg zwischen dem klassischen Wimmelbild-Spiel – jedes Level hat drei, vier, fünf Bildermit jeweils zehn Gegenständen und am Ende ein Rätsel – und dem neueren Adventure, das im Herbst 2008 durch das revolutionäre Mystery Case Files: Return to Ravenhearst Einzug hielt und seither in seinem Siegeszug nicht mehr aufzuhalten ist hängengeblieben zu sein. Wie in der guten alten Zeit wählt man hier seine Schauplätze auf dem Stadtplan aus, hat dann aber eine kleine Szenrie aus mehreren zusammenhängenden Orten mit ein oder zwei Wimmelbildern zur Auswahl.
Gut ist, daß man so nicht alle Schauplätze des Spieles absuchen muß, wenn man nicht mehr weiter weiß – es sind pro Level maximal ein Halbdutzend Orte aktiv – aber dafür wird man regelmäßig aus dem Adventurefeeling rausgerissen, und das Herumrätseln, wo es weitergehen könnte, wird durch ermüdendes Abscrollen der vorhandenen Bildschirme abgelöst, ob man irgendwo vielleicht doch einen Hinweis übersehen haben könnte, irgendeinen Grund muß es doch haben, daß dieser Ort noch betretbar ist… Aber das ist nicht der Grund, warum ich lange gezögert habe, mir das Spiel zuzulegen. Es war auch nicht wegen der Bilder, die hübsch und stimmungsvoll sind und einen hübschen handgemalten Touch haben – ich mag es nicht, wenn die Szenen aussehen wie mit dem Poser-Baukasten zusammengepuzzelt. Nein, es war wegen des Gesangs. Richtig. In diesem Spiel wird gesungen.
Ich bin mit der Handlung des Musicals Sweeney Todd – Der Teufelsbarbier aus der Fleet Street grundsätzlich vertraut, habe es aber weder auf der Bühne gesehen noch in der Kinofassung. Daher kann ich nicht sagen, ob der Gesang in diesem Spiel irgendwie mit dem Originalstück zu tun hat, aber ich bezweilfle es. Die Zwischenszenen, die nach jedem erfolgreich abgeschlossenen Level Stück für Stück die Handlung zusammensetzen, sind mit holpernden Versen unterlegt, die dann auch noch gesungen werden – von durchaus guten Sängern, aber ohne Sinn und Verstand. Man hat das Gefühl, die angeheuerten Sänger bekamen den Text in die Hand gedrückt und die Anweisung »Hier, sing das mal«, ohne Noten oder Struktur. Entsprechend bekommt man weder Lied noch Arie, sondern nur Rezitative, in denen es nach dem Zufallsprinzip mal hoch und mal runter geht – ich bin schließlich dazu übergegangen, die Sprachausgabe zu deaktivieren und habe nur die Untertitel gelesen, um das Ganze erträglich zu machen, was nicht im Sinne des Erfinders sein kann.
Auch die Handlung verläuft ohne größere Überraschung – wenn man weiß, was das Geheimnis des umtriebigen Friseurs ist, gibt es nicht viel Neues, und da hilft auch kein erregter Knabentenor, der entgeistert schmettert »Now I know what’s in those PIES!« Es gibt ein paar nette Rätsel, an denen man hängenbleiben kann, und Wimmelbilder voller makabrer Details, das Spiel ist nichts für schwache Nerven oder Mägen, aber wird man sich bei dem Titel auch denken können. Was das Spiel dann doch ein wenig lohnenswert macht, ist die Athmosphäre, wenn gerade nicht gesungen wird. Bei den Sprechern wurde darauf geachtet, daß sie nicht amerikanisch klingen, sondern schön dreckiges Cogney sprechen, und in den Wimmelbildern wurde ein wenig auf Authentizität geachtet, daß keine modernen Dinge zu sehen sein sollen – was aber nicht immer glückt. Immerhin ist die Geschichte von Sweeney Todd erstmals 1846 erschienen, der Teddybär wurde aber erst 1903 und damit nach Ende der viktorianischen Ära erfunden: Trotzdem muß man an einer Stelle eine Bärenfalle mit einem Plüschbär entschärfen. Ja, wenn es um Teddys geht, werde ich pingelig.
Ich empfehle das Spiel mit Einschränkungen – wer ein Fan der Geschichte ist, wer gerne in London spielt, wer wirklich jedes Wimmelbildadventure gespielt haben muß, der braucht es. Wer nur ab und an spielt und nur einen begrenzten Etat für Casual Games hat, sollte auf ein anderes Spiel ausweichen, es gibt viele, die besser sind. Hier waren die Macher ambitioniert, es ist aber nichts halbes und nichts ganzes rausgekommen, das Endspiel ist absolut antiklimaktisch und der Schluß enttäuschend, es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Wimmelbildern, die man dafür mehrnmals lösen muß, und was das Enttäuschendste ist: Die Liste der Gegenstände, die man in jedem Bild suchen muß, hat überhaupt nichts zu tun mit dem Gegenstand, den man hinterher bekommt. Ja, wofür mach ich mir dann die Sucharbeit, wenn ich hinterher nur irgendeinen blöden Blasebalg in die Finger gedrückt bekomme, den ich gar nicht haben wollte? Dies ist das einzige Spiel, bei dem das so geht, und das aus gutem Grund: Es ist schlichtweg doof.
Die Collector’s Edition, die es von diesem Spiel gibt, schenke ich mir erst recht, denn sie bietet einen Spectacular full orchestral soundtrack – noch mehr von diesem Gesang? Ohne mich!