Nicht weniger als zweihundertdreißig Seiten habe ich seit Anfang des Jahres für Falkenwinter zu Papier gebracht, und man sollte meinen, daß ich gut im Rennen bin und meinem Ziel, das Buch im Sommer fertig zu haben, einen Schritt näher. Aber auf einem ganz anderen Blatt steht das Vergnügen. Und bei allem Erfolg ist es damit im Moment nicht weit her. Die Kapitel, die ich zur Zeit schreibe, fühlen sich an, als wären sie nur Platzhalter für andere, bessere Texte, die ich irgendwann einmal schreiben werde. Die Luft ist halbwegst raus, und eigentlich bräuchte ich eine längere Pause, um Abstand von den Elomaran zu gewinnen, meinen Plot in Ruhe durchzuplanen und mein Herz wieder in die Sache zu stecken.
Aber einfach nichts schreiben, das kann ich mir nicht erlauben. Ich habe den T12 ins Leben gerufen, ich habe mich mit einem Ziel von 410.000 Wörtern verschrieben, und nicht nur weil ich mit gutem Vorbild vorangehen muß und mich mit Katharina »Elena« Stegen in erbittertem Kampf um die Wortzahlen befinde, muß ich am Ball bleiben. Denn ich ahne, sobald ich das einmal einreißen lasse, komme ich nie wieder in den Rhythmus rein. Also muß ich schreiben, schreiben, schreiben.
Bleibt also nur, etwas anderes zu schreiben. Und das wäre mir eigentlich ganz lieb. Die Gauklerinsel, mein Nanowrimo-Projekt vom vergangenen Jahr, geht mir nicht aus dem Kopf und nicht aus dem Herzen. Wenn ich nachts im Bett liege und nach dem Schlaf suche, spiele ich im Kopf kleine Szenen mit Roashan und Shaun, den beiden liebenswert-verkrachten Antihelden, durch. Wenn ich könnte, würde ich die Elomaran links liegen lassen und an der Gauklerinsel weiterschreiben, bis diese ebenso geniale wie zielgruppen- und marktchancenlose Werk fertig ist. Aber ich kann nicht. Denn leider, bei aller Motivation, habe ich keinen Plot mehr. Ähnlich meinem ersten Fantasyroman, den ich Anfang der Neunziger in den Teich gesetzt habe, sitzen alle meine Helden in einer finsteren Zitadelle fest, und da ich keine Ahnung habe, wie sie da wieder rauskommen sollen oder auch nur, wie es da drinnen aussieht, geht es da gerade nicht weiter. Vielleicht im Sommer, oder im Herbst, aber nicht jetzt.
Was bleibt sonst noch? Lichtland, noch ein ehemaliges Nanoprojekt, an dem mein Herz hängt, habe ich vor zwei Jahren gegen die Wand gefahren und müßte es wohl komplett von vorne schreiben, um es zu retten. Und Geisterlied, ein Jugendbuch, mit dem ich 2008 im Nanowrimo gescheitert bin, will ich schrecklich gerne schreiben, fürchte aber, ich bin noch nicht soweit, es diesmal zu schaffen. Zu kostbar ist diese Geschichte, als daß ich sie riskieren und ruinieren möchte. Also, was bleibt mir? Ich beiße in den sauren Apfel und schreibe brav an Falkenwinter weiter. Auch wenn es mir aus den Ohren rauskommt. Und irgendwann, hoffe ich, kommt mein Herz auch wieder mit.