Verloren – gefunden

Vor einem Jahr hatte ich einen gewonnen Nanowrimo in der Tasche und konnte mich nicht darüber freuen. Dabei hätte ich allen Grund gehabt, stolz auf mich zu sein: Nicht nur hatte ich in einem Monat knapp über 50.000 Wörter an meiner »Neunten Träne« geschrieben – ich hatte parallel dazu im gleichen Monat auch noch das gesamte Lektorat des »Gefälschten Landes« absolviert. Es hatte mich kräftemäßig in die Knie gezwungen, das schon, meine Energie war noch nie überragend, aber ich hatte trotzdem all das bewältigt, ohne mich davon kleinkriegen zu lassen … Und doch war ich am Boden. Ich hatte den Nanowrimo gewonnen, aber etwas für mich viel, viel wichtigeres verloren: Die Kunst zu schreiben. Und ich war überzeugt, sie so schnell nicht wiedergewinnen zu können.

Den Schuldigen hatte ich schnell im Verdacht. Im gleichen Herbst war die Medikation für meine Schizophrenie umgestellt worden, von dem Mittel, das mich zehn Jahre lang aus dem Biorhythmus rausgekickt hatte zu einem, mit dem ich einen regelten, fast schon normalen Tagesablauf fahren konnte: Nun fürchtete ich, für diese Normalität den für mich höchsten Preis gezahlt zu haben. Meine Phantasie war versiegt. Ich hatte keine Ideen mehr. Und wo sonst im Nanowrimo ein Einfall den nächsten jagt, schindete ich einen Monat lang nur Wörter auf Basis von einem groben Plotkonstrukt, das ich Monate vorher geplottet hatte.… Weiterlesen

Hörner voran und ab durch die Wand

Elf Jahre ist es her, da hatte ich die Idee zu einem Märchen, oder besser, eine Parodie darauf. »Die gehörnte Prinzessin« war der Arbeitstitel, die Hauptfigur die liebreizende Prinzessin Floradora, die von der Bösen Fee™ verwünscht wird und fortan ein paar stattlicher Widderhörner an ihrem Kopf trägt. Von den Eltern für zu unansehnlich zum Herzeigen befunden, kommt Floradora auf das Dunkelwald-Internat von Fräulein Griselda und Fräulein Gräulich, während daheim im königlichen Palast eine mechanische Puppe, die Floradora bis auf die Hörner aufs Haar gleicht, ihren Job beim täglichen Winken vom Balkon übernimmt. Doch als Floradora im Dunkelwald-Internat ankommt, muss sie feststellen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen …

Ich schrieb etwas über dreißig Seiten an diesem Buch, das ein Weihnachtsgeschenk für meine Mutter werden sollte, und kam nicht weiter, als Floradora im Internat den dort ansässigen anderen Kindern, die allesamt verwunschen sind wie sie selbst, begegnet – und das Buch wanderte in die Schublade zusammen mit den Romananfängen, aus denen ich irgendwann mal was machen könnte, und ward nicht mehr angerührt. Elf Jahre lang. Elf Jahre, in denen ich meiner Mutter andere Dinge zu Weihnachten schenkte und diverse andere Bücher schrieb, in denen ich von der Hobby- zur Berufsautorin und beinahe, aber nur beinahe, wieder zurück wurde und praktisch keinen Gedanken mehr an meine Prinzessin verschwendete.… Weiterlesen

Nach dem Nano

Das Highlight meines Schreibjahres, jedes Jahr aufs Neue, ist der National Novel Writing Month (Nanowrimo). Seit 2006 habe ich jedes Jahr teilgenommen und bis auf dreimal auch das Ziel erreicht, 50.000 Wörter in dreißig Tagen zu schreiben. Es geht für mich um mehr als die Wortzahlen: Der Nano ist mein Kaltstart, wenn der Rest des Jahres nicht gut gelaufen ist, lässt mich Kraft tanken und mit Elan ins neue Jahr starten. Und wenn das Jahr gut gelaufen ist, bekomme ich erst recht Schwung fürs Neue. Es geht mir nicht nur um Produktivität, es geht um den nackten Spaß am Schreiben, darum, mich immer wieder aufs Neue daran zu erinnern, warum ich das hier überhaupt mache.

Versteht mich nicht falsch, ich bin gerne Schriftstellerin, es gibt keinen Beruf, den ich lieber hätte, aber die Wirklichkeit des Autorenalltags klafft doch oft sehr weit auseinander mit dem, wie man sich das vorstellt, statt Schreiben stehen oft andere Sachen zu sehr im Fokus, Verkaufszahlen, Rezensionen, Marketing – und manchmal braucht man eine Zeit, in der sich einfach alles nur noch um das Schreiben dreht. Dafür brauche und liebe ich meinen Nanowrimo. Und für dieses Jahr hatte ich mir wieder Großes vorgenommen. Seit ich mich als Berufsautorin selbständig gemacht habe, muss ich auch im Rest des Jahres oft Nanopensum schreiben, und der Nano soll etwas Besonderes bleiben: Deswegen schreibe ich seit 2011 jedes Jahr den Doppel-Nano, gehe mit zwei Romanen an den Start statt nur mit einem, und habe im Idealfall auch den doppelten Spaß.… Weiterlesen

Der November naht – mal wieder

Die Tage werden länger, grauer und dunkler, der November naht, und mich überkommt freudige Erwartung. Das war nicht immer so – früher war dieser Monat für mich eine trübe Zeit, aber vor zehn Jahren änderte sich das auf einen Schlag. Damals, 2006, machte ich zum ersten Mal beim Nanowrimo mit. Ich hatte keine großen Erwartungen, rechnete nicht im Traum damit, ein Ziel von 50.000 Wörtern in einem Monat schaffen zu können, aber ich hatte eine Motivation: Der Rowohlt-Verlag hatte einen Preis für ein phantastisches Jugendbuch ausgeschrieben, den ich unbedingt gewinnen wollte. Ich hatte eine Idee, und das seit August, aber der Einsendeschluss war im Dezember, und ich ging beriets im Sommer nicht davon aus, rechtzeitig fertig werden zu können, und versuchte es dementsprechend gar nicht erst. Dann, irgendwann Ende Oktober, schickte mir meine frühere Mitbewohnerin den Link zur Nanowrimo-Seite, weil sie meine Idee kannte und mochte, und meinte, damit wär doch der Wettbewerb kein Problem mehr – und als ich dann auch noch sah, dass die Filkerin, Autorin und Illustratorin Debbie Ohi einen täglichen Cartoon für den Nano zeichnete, meldete ich mich an.

Der Monat begann, ich kämpfte mit mir, meiner Protagonistin, dem Buch und überhaupt, und hing weit hinter dem Ziel zurück, bis am dritten oder vierten Tag der Knoten platzte, ich 2.800 Wörter an einem einzigen Tag schrieb und damit sowas wie einen Lebenszeitrekord aufstellte, und mein Ehrgeiz war geweckt.… Weiterlesen

Ein Ende auf Umwegen

2010 schrieb ich im Nanowrimo meine erste Romantische Fantasy, Geigenzauber, gewann den Nano, schrieb den Dezember durch und konnte im Januar 2011 verkünden, dass das Buch fertig war. Wirklich eine sehr, sehr einfache Geburt. Mit meinem Nanowrimo-Roman von 2014, Das Glasaugenhaus, sollte es genauso gehen. Eigentlich. Ich gewann den Nano, schrieb den Dezember durch, war im Januar 2015 fleißig – und dann, als dem Buch wirklich nur noch eine Szene fehlte, hörte ich auf. Einfach so. Ich hatte keinen bestimmten Grund dafür, es war nicht so, dass ich meine Geschichte auf einmal nicht mehr gemocht hätte, im Gegenteil, ich mochte sie sehr. Ich hatte nur keine Lust auf diese eine fehlende Szene. Es ging nicht mal um den Schluss, es war der Mittelteil des vorvorletzten Kapitels, um den ich einfach herumgeschrieben habe – aber diese Lücke füllte sich nicht von selbst, und so wie die Mimbari einfach mitten in der Schlacht umdrehten und nach Hause flogen, ließ ich das Glasaugenhaus liegen wie ein vor die Wand gefahrenes Wrack, das es nicht war.

Natürlich, ich sprach immer davon, das Buch endlich mal fertigzuschreiben, es fehlte doch wirklich nur eine Szene, ein Klacks, das kann ich zwischendurch machen – aber ich machte es nicht.… Weiterlesen

Nano Nano

Wie in jedem Jahr seit 2006 habe ich auch in diesem Jahr am Nanowrimo, dem (Inter)National Novel Writing Month, teilgenommen, und wie immer seit 2011 mit mehr als einem Projekt: Seit ich mich zur hauptberuflichen Schriftstellerin erklärt habe, ist das Nano-Pensum von 50.000 Wörtern im Monat nicht mehr so ungewöhnlich für mich, und weil ich mich fordern möchte und meine Grenzen ausreizen, verdopple ich und lege einen zweiten Roman drauf. In diesem Jahr waren es die Neuauflage von Lichtland, meiner Nano-Nemesis von 2007, und mein neuer Gaslichtroman Die Spiegel von Kettlewood. Gewonnen habe ich mit keinem von beidem, und statt mit 100.000 Wörtern bin ich »nur« mit knapp 65.000 aus dem Monat gekommen – aber anders als in früherem Jahren, in denen ich mein Ziel verfehlt habe, macht es mir diesmal weniger aus. Ich habe zwei tolle Bücher begonnen, an denen ich jetzt fleißig weiterschreiben werde und zu denen ich sehr positive Rückmeldung bekommen habe: Da sehe ich nicht die 15.000 Wörter, die mir zum Sieg fehlen, sondern die 35.000, die ich habe. Und die kann mir keiner wegnehmen.

Der Neuaufguss von Lichtland stellte sich erst einmal ziemlich sperrig heraus. Da ich den Charakter meiner Hauptfigur Nomi radikal verändert habe, musste ich aufpassen, nicht gleich wieder in alte Muster zu verfallen, und ich musste die ersten Seiten nochmal schreiben, als Nomi sich, kaum dass er den Mund aufmachte, wieder in den arroganten kleinen Schnösel aus der ersten Fassung zu verwandeln drohte.… Weiterlesen

4theWords? 4dieKatz!

Auch 2014 habe ich, wie in jedem Jahr seit 2006, am Nanowrimo teilgenommen. Was einmal ein Geheimtipp war, ist längst ein Riesenapparat mit Hunderttausenden von Teilnehmern – in diesem Jahr waren es knapp über 175.000 – und, auch wenn die Teilnahme selbst weiterhin kostenlos ist, einer großen Geldmaschine im Hintergrund. Kosten für Personal, Technik, Infomaterial etc. gehen in die Millionen. Der Nano finanziert sich durch Spendengelder, und auch ich habe meine 25 Dollar gespendet, aber ein nicht zu verachtender Betrag kommt durch Sponsoren zustande, Großspender, die ein Minimum von 6.000 Dollar beisteuren, dafür auf der Nanowrimo-Seite prominent präsentiert werden und, indem sie über Winner Goodies und andere Lockvogelangebote Naniten als Kunden ködern können, ihr Geld schnell wieder drin haben. Bei 175.000 Teilnehmern ist das eine Lizenz zum Gelddrucken, und die Buchdienstleisterindustrie hat längst dsa große Potenzial einer Aktion erkannt, die jedes Jahr hunderttausend veröffentlichungswillige Autoren auf die Welt loslässt.

Dementsprechend betrachte ich die Sponsorenangebote längst mit Skepsis. Es ist schön, wenn meine eine gute Schreibsoftware wie Scrivener zum halben Preis bekommt, und auch schön, wenn Anbieter wie Createspace oder Lulu siegreichen Autoren gedruckte Exemplare ihres Buches schenken. Andere Angebote sind aber eher von der Sorte, die, was ihre Seriösität angeht, sich zumindest in einer Grauzone bewegen – kostenpflichtige Lektorate und Zuschussverlage, die Naniten ein angeblich besonders günstiges Publishingpaket anbieten, haben hier mit den Naniten ein sicheres Einkommen.… Weiterlesen