Von Zweihörnern und Amazonen

Inzwischen ist es Montagabend, ich bin von der Convention zurück und pflege einen noch ziemlich sanften Husten – aber wie ist es gelaufen mit dem Coming-Out?

Meinen Plan, am Samstag im Hauptkonzert mein Coming-Out zu haben, konnte ich leider nicht so umsetzen. Ich stand schon auf der Bühne, wurde verkabelt, als bei mir die Technik streikte und ich den Sperrbildschirm meines Ipads nicht wegbekam, also auch nicht an das Programm mit den Texten und Akkorden kam. Ich hatte ein besonderes Lied für den Moment vorbereitet, und den Text konnte ich auswendig, aber nicht die Gitarrenakkorde. Weil das Hauptkonzert ohnehin unter Zeitdruck steht und ich nicht alles aufhalten wollte, machte ich unter Tränen einen Rückzieher und überließ die Bühne anderen.

Aber die Orga ermöglichte mir, es am anderen Tag noch mal zu versuchen. Dafür bekam ich einen Slot im Wunschkonzert eingeräumt. Weil das auch einen knappen Zeitplan hat, sprach ich mit der wunderbaren Bine von der Orga ab, dass ich zu meinem Lied ein bisschen was erzählen wollte, und sie erlaubte mir das auch, vorausgesetzt, dass ich versuchte, mich kurzzufassen. Ich kam als erste dran, bevor die eigentlichen gewünschten Titel drankamen, und diesmal spielte auch die Technik mit.

»Dies ist das Wunschkonzert«, sagte ich, »und ich stehe heute hier, weil ich mir etwas wünsche.… Weiterlesen

Filk Found Family

Ich habe mehr als eine Familie. Da ist auf der einen Seite meine richtige Familie, und was die angeht, bin ich in der glücklichen Situation, dass wir ein wirklich gutes Verhältnis haben. Meine Eltern, meine drei Geschwister – ich bin froh, sie zu haben. Wir sehen uns nicht so häufig, und telefonieren tue ich in erster Linie mit meinen Eltern, was daran liegt, dass ich ein echtes Problem mit dem telefonieren habe und bei den allermeisten Leuten nicht gut anrufen kann, weil ich immer überzeugt bin, ich komme ungelegen und störe bei etwas Wichtigem. Aber wenn wir uns treffen, ist es immer schön, wir können über vieles reden, und ich weiß, ich muss keine Angst vor ihnen haben. Selbst wenn ich sonst manchmal die ganze Welt fürchte.

Meine Mutter liest alle meine Bücher, und es ist an der Zeit, dass ich ihr mal wieder was Neues schicke, denn sie hat jetzt angefangen, alle älteren Sachen von mir noch mal zu lesen – und sie liest auch dieses Blog, was mich sehr freut, denn ich weiß nicht, wie viele Leute sich hier sonst so durch meine doch oft sehr persönlichen, gern aber auch geschwätzigen Texte arbeiten. Das ist also meine richtige Familie, aber um die soll es gerade eigentlich gar nicht gehen – ich wollte das nur erwähnen, damit klar ist, dass meine andere Familie kein Ersatz ist, kein Trost, weil ich da weder Ersatz noch Trost brauche, aber ein Freundeskreis, der so eng ist, dass er mir über mein halbes Leben zu einer zweiten Familie geworden ist.… Weiterlesen

Pflegeleicht trans

Zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, seit ich mich in diesem Blog als trans/genderfluid offenbart habe, und seitdem sind einige Dinge passiert – genug Dinge, um jetzt das Thema noch einmal aufzugreifen und zu erzählen, wie es danach weitergegangen ist.

Vieles hat sich nicht geändert. Manchmal bekomme ich eine Mail, die mich mit »sehr geehrte:r Maja Ilisch« anredet, und dann freue ich mich ein bisschen, weil sich da jemand Gedanken gemacht hat und sich auf mich vorbereitet – aber ich fühle mich dann auch irgendwie schlecht, weil ich jemandem Aufwand und Umstände bereitet habe. Und Aufwand und Umstände sind auch das Hauptthema dieses Artikels.

Mir war es wichtig, meine Geschlechtsidentität bekannt zu machen, um aus der Frauenschublade rauszukommen, das war mir ein Anliegen – aber ich betrachte diese Identität als eine so persönliche Sache, dass ich auch nicht wollte, dass sie eine Auswirkung auf andere haben sollte. Da wollte ich ein ganz pflegeleichter trans Mensch sein. Habe also allen Leuten versichert, dass sich für sie nichts ändert, dass ich ja jetzt nicht ein anderer Mensch werde, sondern nur sein will, wer ich schon immer war. Ich habe meinen weiblichen Namen behalten, ich höre weiterhin auf weibliche Pronomen und Artikel, ich will es allen ganz, ganz einfach machen, in der Hoffnung, dass es ihnen dann ohne große Umstellung leichter fällt, mich zu akzeptieren …

Und so habe ich auf sehr viele Menschen Rücksicht genommen, nur nicht auf den einen, auf den es ankommt: Mich selbst, nämlich.… Weiterlesen

Nachruf auf ein doofes Jahr

Hier ist er dann, der lang angekündigte Rückblick auf 2020. Bestimmt würde man sich auch noch an dieses Jahr erinnern, wenn ich den Rückblick irgendwann im Herbst 2027 veröffentlichen würde – nur, will man das? Ist es nicht schlimm genug, dass ich jetzt, wo 2021 so schön angefangen hat, noch mal an dieses Jahr, von dem man nicht spricht, erinnern muss? Aber ich will trotzdem erzählen, wie es mir gegangen ist. 2020 war ein Jahr, in für mich dem gute und schlechte Dinge passiert sind – und rückblickend denke ich, die guten Dinge haben letztlich überwogen, aber es hat sich über weite Strecken nicht so angefühlt.

Dabei hat es toll angefangen, das Jahr. Ende 2019 hatte ich endlich meine Schlafprobleme in den Griff bekommen, über Wochen ein Leben geführt wie ein normaler Mensch, der morgens aufsteht und sich abends ins Bett legt und dann auch schläft. Ich dachte, es wäre auf einen Wechsel meiner Medikamentenmarke zurückzuführen, und ich hoffte, es wäre von Dauer. Ich tat alles, um das nicht wieder einreißen zu lassen, und verbrachte lieber Silvester allein auf meinem Balkon, um kurz nach Mitternacht ins Bett gehen zu können, statt auf der kleinen Party mit Freunden, auf der mein Mann war.… Weiterlesen

Hashtag #nichttransgenug

Ja, die guten Vorsätze. Jede Woche ein neuer Blogartikel, und schaut nur, hier ist schon der zweite. Ich hatte damit gerechnet, dass es zum ersten einen Nachfolgeartikel geben würde, nur nicht unbedingt, dass es so schnell gehen würde. Aber als ich vor ein paar Tagen den Artikel veröffentlicht hatte, in dem ich bekanntgab, dass ich transgender bin, hatte ich durchaus die Hoffnung, dass der dann als Quelle herangezogen werden könnte, die Kategorie »Frau« aus meinem Wikipedia-Profil zu tilgen.

Fangen wir mal mit dem Grundsätzlichen an: Die Praxis der deutschsprachigen (und nur der deutschsprachigen!) Wikipedia, Personenartikel grundsätzlich den Kategorien »Mann« oder »Frau« zuzuordnen, ist Schwachfug. Lasst es mich auf bibliothekarischer Basis erklären: Die Kategorien dienen der Auffindbarkeit eines Artikels nach inhaltlichen Kriterien. Im Idealfall kann ein Artikel dann unter jedem Begriff, unter dem Leute danach suchen könnten, gefunden werden. Und genau das ist der Knackpunkt: Begriffe, unter denen Leute suchen . »Hey, Wikipedia, zeigt mir mal, welche Promis aus Dortmund kommen!« ist ein valider Suchbegriff. Auch nach Geburtsjahren wird sicher gesucht.

Aber wer geht in die Wikipedia, um Artikel über Männer zu finden? Die Kategorisierung nach »diese Hälfte der Weltbevölkerung« und »jene Hälfte der Weltbevölkerung« ist quatsch, weil niemand so sucht. Natürlich ist diese Verschlagwortung in den meisten Fällen durchaus zutreffend – aber Wikipediaartikel werden auch nicht nach Augenfarbe kategorisiert, obwohl auch die in meinem Personalausweis angegeben ist, oder nach Körpergröße – warum muss dann ein geschlechtsabhängiger Eintrag her?

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Links, rechts, cis, trans, Mann, Frau, Mensch

Guter Vorsatz fürs neue Jahr: Endlich wieder bloggen. Ist ja nicht so, als ob ich nichts zu sagen hätte, und seit ich ein veröffentlichter Autor bin, gibt es auch tatsächlich Leute, die mir mal zuhören … Ich hatte das Übliche geplant, einen Rückblick auf das Jahr 2020, das auch für mich alles andere als positiv verlaufen war, und dann einen optimistischerer Ausblick auf 2021 … Stattdessen sitze ich jetzt hier und schreibe einen Artikel, der nicht so zeitkritisch ist wie ein Jahresrückblick, den ich im Kopf schon seit einigen Jahren immer wieder formuliert und doch nie geschrieben habe, und der mir gerade wichtiger ist als Rückblicke oder Ausblicke. Ich will das Jahr damit beginnen, mit mir selbst ins Reine zu kommen, und offen aussprechen, was ich schon ziemlich lange weiß. Ich bin transgender.

Ich war acht, neun Jahre alt, als ich zu meiner Mutter ging und ihr sagte, dass ich ein Junge sein wollte. Und sie schaute mich an und sagte: »Warum denn? Alles, was ein Junge kann, kannst du auch als Mädchen, und lass dir von niemandem sagen, dass du ein Junge sein müsstest, um so zu sein, wie du bist.« Und damit hatte sie natürlich recht. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem ich ich sein durfte und in meinen verschlissenen Latzhosen auf Bäume klettern und mit meinen Playmobilseeräubern spielen, ohne jemals »Ein Mädchen tut sowas nicht« zu hören zu bekommen.

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Tag Zwei: Männlein gegen Weiblein

Es ist langsam mal wieder an der Zeit, dass ich mich den dreißig Fragen zuwende, vor allem, da ich erst eine davon beantwortet habe. Nachdem ich mich entschieden habe, Das Haus der Puppen mit einer unkonventionellen Liebe zu beenden, passt es sehr schön, dass die zweite Frage des berüchtigten Stöckchens lauten:
2. Wie viele Figuren hast du? Bevorzugst du Männer oder Frauen?

Ich hoffe, niemand erwartet ernsthaft von mir, meine Figuren zu zählen. Ich habe zwar tendenziell gar nicht so viele Figuren in meinen Geschichten, arbeite lieber mit wenigen Charakteren, als dass ich ganze Heerscharen aufmarschieren lasse – was mich als Autorin epischer Fantasy sicher disqualifiziert. So treten zwar in den Chroniken der Elomaran siebenundfünfzig Figuren, kleinste Nebenrollen mitgerechnet, aber auf vier nicht immer dünne Bände verteilt ist das nicht wirklich viel. Und beim Haus der Puppen komme ich mit acht Figuren aus. Natürlich ist das nicht viel. Aber über die Jahre ist doch einiges zusammengekommen, ich habe in den letzten fünfundzwanzig Jahren mehr Personen aufmarschieren lassen, als ich jetzt noch aufzählen könnte. Daher kann ich die Frage nur beantworten mit: Viele.

Was den zweiten Teil der Frage angeht: Tendenziell sind meine Hauptfiguren eher männlich als weiblich, und bis vor ein paar Jahren hatte ich große Probleme, mit weiblichen Hauptfiguren zu arbeiten, weil sie mir immer zu ähnlich wurden, um von mir noch als individuell wahrgenommen werden zu können, und das machte sie hölzern und leblos – anders als die Männer, die per se anders waren als ich und dann auch schnell autonom agieren konnten.… Weiterlesen