Die meisten Bücher, die auf dem Romanfriedhof landen, schlafen einfach irgendwann friedlich ein, und nach einigen Jahren des Brachliegens finde ich sie wieder und stelle fest, dass sie in der Zwischenzeit gestorben sind. Nicht so »Der Siegelstein«. Das Ableben dieses Romans war laut und tosend und führte schließlich zu einem Happy End, von dem das Buch selbst nichts mehr hatte.
Es war 1997, ein für mich in jeder Hinsicht bedeutsames Jahr. Im Frühling hatte ich meine Diplomarbeit zeitgleich mit meinem ersten Roman beendet – also nach zig Projekten, aus denen nichts geworden war, dem ersten Roman, der es bis zum Ende schaffte – und stand im Sommer, zweiundzwanzig Jahre alt, mit einem Diplom in der Tasche und einem Roman in der Schublade und ohne etwas zu tun. Ich schrieb Bewerbungen, aber die Berufsaussichten für Bibliothekarinnen waren schlecht, und ich wusste nicht viel mit mir anzufangen. Wieder etwas schreiben, natürlich – nur das wollte, fand ich, gut geplant sein.
So viele Bücher hatte ich vor die Wand geschrieben und nur ein einziges fertig, und ich suchte die Schuld in der Projektauswahl: Nach all den Romanwracks, die ich aus dem Bauch und einer Laune heraus angefangen hatte, sollte beim Nachfolger der »Flöte aus Eis« nichts dem Zufall überlassen werden – von nun an sollte jedes Buch, das ich anfing, auch fertig werden, und die Lösung dafür darin bestehen, dass ich einen nicht hundertprozentig erfolgsversprechenden Kandidaten gar nicht erst anfangen durfte.… Weiterlesen