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Eintagsfliegen

Um für meine Dachdecker-Elegie das passende Zitat zur Hand zu haben, las ich heute mal wieder Jakob von Hoddis‘ »Weltenende«. Ich kann es eigentlich auswendig, aber beim Zitieren gehe ich lieber auf Nummer Sicher. Wir haben es auch in der Schule gelesen (muss im zehnten Schuljahr gewesen sein, aber ich kannte es schon vorher) und dort auch gelernt, dass Jakob von Hoddis eine literarische Eintagsfliege war – »Weltenende« hat er als sehr junger Mann veröffetlicht, danach hörte man nichts mehr von ihm. So geht’s halt mit den Wunderkindern, wenn die einmal erwachsen sind, bringen sie nichts mehr auf die Reihe …

Wo ich gerade dabei war, habe ich mir also seine Biographie zu Gemüte geführt, um herauszufinden, ob er nicht doch noch mehr geschrieben hat und warum nach dem »Weltenende« nichts Großes mehr gekommen ist. Und bin auf den Teil gestoßen, den wir in der Schule nicht gelernt haben. Warum hat Jakob von Hoddis nichts mehr zustande gebracht (nachdem er erst noch eine Reihe von Gedichten veröffentlicht hat, die aber an den Erfolg des »Weltenendes« nichts anknüpfen konnten? Weil er das hatte, was ich auch habe.

Jakob von Hoddis litt und ständig wiederkehrenden Psychosen. Im Jahr 2015 nehme ich mein Quetiapin und lebe ein weitestgehend normales Leben.… Weiterlesen

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

Unser Dachdecker heißt M. aber ich habe ihn gerade umbenannt in Murphy. Seit über sechs Wochen soll er bei uns eine lecke Stelle im Dach flicken – dringend nötig, wir haben nämlich im Schlafzimmer meines Mannes einen großen feuchten Schimmelfleck an der Wand. Den Dachdecker hatte uns unser Energieberater empfohlen, der normalerweise ein gutes Händchen hat, die richtigen Handwerker für uns zu finden.

Der erste Termin, vor ein paar Wochen: Da unser Schornsteinfeger einen Schaden am Dach fotographiert hatte (zwei fehlende Firststeine) und uns das Bild geschickt, konnte ich es scannen und an den Dachdecker mailen, damit er sehen konnte, was Sache ist. Der Termin: Freitag um 12. Ich da: Ab Freitag um 11. Wer kommt nicht um 12 und nicht um halb 1? Der Dachdecker. Angerufen. Dachdecker in Berlin, aber Mitarbeiter kommt bestimmt heute noch. Ich: Heute noch ist ganz schön viel Zeit. Ich sitze hier auf einer Baustelle und habe noch nicht mal eine Toilette. Habe mich auf 12 Uhr eingestellt. Dachdecker verspricht, Mitarbeiter aufzuspüren und vorbeizuschicken.

Dachdeckermitarbeiter kommt gegen 3. Schaut sich Dach an, da fehlen zwei Firststeine. Hat aber keine mitgebracht: Sowas haben Leute normalerweise auf dem Dachboden liegen. Bei uns liegt aber nur einer, keine zwei.… Weiterlesen

Grosse Träume, langer Atem

Als ich meinen ersten Roman fertiggestellt hatte – ein erhebendes Gefühl nach all den Fragmenten, die ich in die Welt gesetzt hatte – wusste ich genau, was mit ihm passieren sollte. Natürlich, ich wollte, dass er veröffentlicht wird, und es war keine Frage, wo. Warum mich mit etwas Geringerem abfinden als dem renommiertesten Verlag für Fantasy und Phantastik, den ich mir nur vorstellen konnte? Ich wollte dahin, wo meine Lieblingsbücher erschienen: Das Letzte Einhorn. Die Brautprinzessin. Gormenghast. Dass der Verlag außerdem die deutschen Rechte an Tolkiens Werken hatte, interessierte mich in dem Moment weniger, aber beeindruckend war es schon – und ehrfurchtseinflößend genug, dass ich wusste, dass ich noch gut genug war. Das Buch musste erst überarbeitet werden, und das war ein Prozess, der sich zwei Jahre lang hinzog. Endlich, 1999, war Eine Flöte aus Eis fertig, überarbeitet, bis zum Glanz poliert, und mit einem Exposée versehen, bereit, nach Stuttgart geschickt zu werden. Die Adresse hatte ich aus dem Verlagsadressbuch Banger, auf das ich als Buchhandelsazubi Zugriff hatte, das Exposee nach bestem Wissen und Gewissen, aber mit wenig Können angefertigt, und dazu gab es das erste Kapitel als Leseprobe, weil in meinem Autorenratgeber stand, dass man nicht das ganze Manuskript schicken sollte.… Weiterlesen

Menschen, Tiere, Rezensionen

Ich bin nicht nur im Tintenzirkel, sondern auch auf Facebook mit einer ganzen Reihe an Autoren vernetzt, und es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich mit Leserkommentaren und Rezensionen umgegangen wird. Da sind die einen, die sich nicht davon abhalten lassen, zu jeder neuen Fünf-Sterne-Rezi einen Link zu setzen mit dem Jubelkommentar »Wieder fünf Sterne fürDas Liebesleben der Stabheuschrecken! Danke!«. Bekommt der Autor nur alle drei Wochen eine Rezi, kann ich damit leben. Leider tendieren manche dazu, das täglich zu machen, ohne wirklich darüber nachzudenken, wie es ankommt. Will ich, als befreundete Autorin, über die persönliche Timeline meiner Autorenbekannten so viel Selbstbeweihräucherung lesen? Oder, wenn sie es über ihre Autorenseiten tun: Wie wirkt es auf den Leser, wenn der Autor es nötig hat, sich in jedem einzelnen positiven Kommentar zu wälzen, als handle es sich um eine Kaviarpackung in einem edlen Spa? Die erste, hundertste, tausendste Rezi darf gebührend gefeiert werden, keine Frage. Aber ich möchte nicht Jede. Einzelne. Rezension. ins Gesicht gedrückt bekommen. Bestenfalls interessiert es mich nicht. Schlechtestenfalls macht es mich unglücklich, weil ich keine zehn Fünfsternerezis am Tag bekomme. Weder das eine noch das andere ist von den Autoren beabsichtigt. Sie machen sich nur keine Gedanken um die Wirkung.… Weiterlesen

4theWords? 4dieKatz!

Auch 2014 habe ich, wie in jedem Jahr seit 2006, am Nanowrimo teilgenommen. Was einmal ein Geheimtipp war, ist längst ein Riesenapparat mit Hunderttausenden von Teilnehmern – in diesem Jahr waren es knapp über 175.000 – und, auch wenn die Teilnahme selbst weiterhin kostenlos ist, einer großen Geldmaschine im Hintergrund. Kosten für Personal, Technik, Infomaterial etc. gehen in die Millionen. Der Nano finanziert sich durch Spendengelder, und auch ich habe meine 25 Dollar gespendet, aber ein nicht zu verachtender Betrag kommt durch Sponsoren zustande, Großspender, die ein Minimum von 6.000 Dollar beisteuren, dafür auf der Nanowrimo-Seite prominent präsentiert werden und, indem sie über Winner Goodies und andere Lockvogelangebote Naniten als Kunden ködern können, ihr Geld schnell wieder drin haben. Bei 175.000 Teilnehmern ist das eine Lizenz zum Gelddrucken, und die Buchdienstleisterindustrie hat längst dsa große Potenzial einer Aktion erkannt, die jedes Jahr hunderttausend veröffentlichungswillige Autoren auf die Welt loslässt.

Dementsprechend betrachte ich die Sponsorenangebote längst mit Skepsis. Es ist schön, wenn meine eine gute Schreibsoftware wie Scrivener zum halben Preis bekommt, und auch schön, wenn Anbieter wie Createspace oder Lulu siegreichen Autoren gedruckte Exemplare ihres Buches schenken. Andere Angebote sind aber eher von der Sorte, die, was ihre Seriösität angeht, sich zumindest in einer Grauzone bewegen – kostenpflichtige Lektorate und Zuschussverlage, die Naniten ein angeblich besonders günstiges Publishingpaket anbieten, haben hier mit den Naniten ein sicheres Einkommen.… Weiterlesen

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Plot

Im Sommer 2010, noch bevor es dieses Blog gab, begann ich mit der Arbeit am Gefälschten Siegel, damals noch als Einteiler geplant. Ich war verliebt in das Buch und meine Figuren – kein Wunder, hatte ich doch sämtliche männliche Hauptrollen mit Mitgliedern der von mir verehrten bosnischen Band Regina besetzt, hörte deren CDs beim Schreiben rauf und runter und hatte insgesamt mehr das Gefühl, eine Fanfiction zu schreiben, als einen internationalen Bestseller. Aber auch auf meinen Plot war ich stolz, raffiniert, vielschichtig, immer für eine Überraschung gut. Nach einer plotmäßigen Durststrecke und der Erkenntnis, dass ich mit einem Einteiler nicht hinkomme, wurde der erste Band der nun zur Trilogie umgelobten Reihe 2011 fertig, und ich stürzte mich, ohne Plot, aber mit Elan und Liebe, auf den zweiten Band, Das gefälschte Herz – und scheiterte. Nach neun Kapiteln und rund 300 Seiten brach mir der Roman unter den Füßen weg und wurde auf Eis gelegt, und ich wusste noch nicht einmal, wie ich die beiden angefangenen Kapitel zu Ende schreiben sollte.

Die Fälscher waren nicht das erste Buch, das diesen planlosen Tod starb, wohl aber das erste, seitdem ich mich als Profi bezeichnete. Plotten, sollte man meinen, konnte ich. Selbst Die Gauklerinsel ist fertiggeworden, und das war ein Buch, bei dem ich lange Zeit noch nicht mal wusste, wo es hinwill.… Weiterlesen

Sechs Jahre, ein Buch

Nach über sechs Jahren neigt sich nun endlich Geisterlied dem Ende zu, und bin ich sonst weh- bis schwermütig, wenn ich von einem Buch Abschied nehmen muss, bin ich hier erleichtert und froh und freue mich, es hinter mir zu haben. Sechs Jahre sind eine lange Zeit, vor allem für ein gar nicht mal besonders langes Buch. Aber es war einfach ein schwerer Brocken. Die Idee kam mir Anfang 2008, als ich noch im Münsterland wohnte, mit einem Traum. Ich ziehe oft Ideen aus Träumen, aber diesesmal hatte ich nahezu den kompletten Plot geträumt, so klar, dass ich nur mit dem Schreibblock hinterherrennen und ihn einfangen musste. Selbst die Namen meiner Hauptfiguren, Anata und Rizim, habe ich aus diesem Traum übernommen. Anata ist ein Wort aus dem Japanischen, wo es eine liebevolle Anrede, vergleichbar mit unserem »Schatz« ist, und Rizim? Ich habe keine Ahnung, so das herkommen soll. Es ist ein Name. Punkt. Ich freute mich über die schöne neue Idee und auf die Aussicht, das Buch im Nanowrimo zu schreinben – und damit ging der Ärger los.

Bis zum November war es zu lange hin. Der ohnehin schon ziemlich ausgefeilte Plot bekam noch mehr Zeit zum reifen, und das ist bei mir nie gut.… Weiterlesen