Die Preise der anderen

Ich werde nie den Nobelpreis gewinnen, aber es ist der Running Gag, dass ich das gerne würde. Literaturnobelpreisträger. Das ist klangvoll, da ist man in guter Gesellschaft – aber ich werde ihn nicht kriegen. Fangen wir mal mit dem offensichtlichen an – ich schreibe Fantasy. Fantasyautoren bekommen keine Literaturnobelpreise. Und selbst wenn? Dann bekomme trotzdem ich den nicht. Ich bin ein kleines Licht. Mich kennt man noch nicht mal in Deutschland, geschweige denn weltweit. Und dann bin ich erst achtundvierzig Jahre alt. Viel zu jung für diesen Preis – der ursprünglich mal ein Förderpreis für junge Talente sein sollte. Aber man wird ja noch träumen dürfen. Vom Literaturnobelpreis zu träumen ist gut, da riskiert man nicht, dass das in Erfüllung geht und man plötzlich ohne Träume dasteht. Und wenn den ein anderer bekommt, tut es nicht weh, denn, siehe oben, ich weiß, warum ich den niemals bekommen kann.

Andere Preise … andere Preise sind so eine Sache. Es gibt tolle Literaturpreise für Phantastikautoren. Von denen habe ich nie zu träumen gewagt, nicht so wie vom Nobelpreis. Ich habe trotzdem von ihnen geträumt. Aber sie sind immer an andere Leute als mich gegangen. Lange lag das daran, dass ich überhaupt nicht veröffentlicht war, und das tat weh – ich wollte ja veröffentlichen, aber das Veröffentlichen wollte mich nicht.… Weiterlesen

Zwölf Jahre später

Manchmal hat man ein Wiedersehen mit alten Freunden, und es ist, als wäre man nie weggewesen. Man umarmt sich und knüpft nahtlos an eine Unterhaltung an, die man 2011 geführt hat, man lacht viel und hat Spaß, und dann geht man wieder auseinander und sieht einander die nächsten acht Jahre lang nicht mehr. Und vom Schluss abgesehen, bin ich gerade genau da mit meinen »Chroniken der Elomaran«.

Seit dem ersten Juli schreibe ich wieder am fünften Buch, »Zornesbraut«. Der Einstieg verlief noch ein bisschen zäh. Ich hatte das Buch mitten in einer Szene stehenlassen, für deren Ausgang mir im Herbst 2011 der Plot fehlte, und als ich versuchte, da wiedereinzusteigen, hatte ich immer noch keinen Plot und musste überhaupt erst einmal rekonstruieren, was ich sonst noch für dieses Buch geplant hatte. Aber ich hatte einen Trumpf im Ärmel: Die Perspektive dieses Kapitel war die von Varyns Bruder Gaven, und Gaven hat wirklich den pflegeleichtesten POV der ganzen Reihe. Ich war in Null Komma Nix wieder in Gavens Erzählstimme, und dass ich sie dann zehn oder so Seiten lang nur für Landschaftsbeschreibungen genutzt habe, war eine Fingerübung, um wieder in die Geschichte reinzukommen.

Normalerweise schreibe ich nicht gern in dem Wissen, dass es für die Tonne ist, aber nach zwölf Jahren Pause, nachdem ich das Buch schon so gut wie aufgegeben hatte, streiche ich gern auch mal zwanzig Seiten weg, wenn ich dafür den Rest der Geschichte retten kann.… Weiterlesen

Stipenditastisch III

Seit einem guten Monat arbeite ich mich durch die Einsendungen in der Kategorie »Debut« beim PAN-Stipendium 2023 und habe in der Zeit gut die Hälfte geschafft. Zeit für ein kleines Zwischenfazit. Ich werde weder auf einzelne Einsendungen eingehen, noch konkrete Zahlen nennen, es bleibt also allgemein gehalten. Vielleicht ist es aber doch für den/die eine:n oder andere:n, der/die hibbelnd auf die Ergebnisse wartet, interessant.

Anfangen möchte ich mit der Feststellung, dass es wirklich sehr viele Einsendungen sind. Die Debut-Kategorie hatte schon letztes Jahr die meisten Einsendungen, und dieses Jahr sind es noch mal mehr Kandidat:innen als im letzten Jahr. Vielleicht hätte ich besser, statt sofort stürmisch-begeistert zuzusagen, gefragt »Wie viele sind es denn?«, aber ich denke nicht, dass das für meine Zusage noch einen Unterschied gemacht hätte. Ich habe sehr großen Spaß an dieser Arbeit – aber Arbeit ist es trotzdem. Ich will es richtig machen, und gründlich, und das heißt, dass ich jeden Tag im Schnitt zwei Stunden über meinen Einsendungen sitze.

Wie werden die Einsendungen gelesen? Ich denke, da hat jedes Jurymitglied seine eigene Technik. Ich kann also nur sagen, wie ich das selbst angehe: Ich wähle mir durch Zufall eine Einsendung aus, indem ich im Explorer blind rauf und runter scrolle und dann irgendwo reinklicke.… Weiterlesen

Quo Vadis, Opus Magnum?

Vor über dreiundzwanzig Jahren, im Februar 2000, hatte ich die Idee für eine neue Geschichte – nein, nicht irgendeine neue Geschichte. Ein Großwerk. Mein Opus Magnum. Das klingt jetzt erst mal größer, als es in dem Moment wirklich war – schließlich hatte ich bereits das Buch, an dem ich damals eigentlich arbeitete, als  »Opus Magnum« bezeichnet. Das war die »Spinnwebstadt«, ich hing im vierten von vier Teilen, kam nicht voran, und immer, wenn es bei mir irgendwo klemmt, macht sich mein Hirn auf die Wanderung und sucht nach neuen Ideen. »Die Spinnwebstadt« sollte dann nach zähem Ringen drei Jahre später fertig werden, immerhin um die tausend Normseiten sind es am Ende geworden, und ich konnte stolz darauf sein – aber das ist nichts im Vergleich zu dieser neuen Idee. Tausend Seiten? Darüber können die »Chroniken der Elomaran« nur lachen. Und sieben Jahre, die ich an der »Spinnwebstadt« gearbeitet habe? Darüber erst recht. Dreiundzwanzig Jahre, Baby! Und noch kein Ende abzusehen …

Dabei war die Ausgangsidee erst einmal nicht übermäßig groß. Wenn ein König seine Krone verliert, und ein anderer findet die zufällig morgens in seinem Vorgarten und nimmt sie an sich – wer ist dann der rechtmäßige König? Das war alles, eine Idee, angelehnt an ein Referat über die Insignien des Heiligen Römischen Reichs, das ich ein paar Jahre davor während meines Studiums gehalten hatte.… Weiterlesen

Stipenditastisch II

Zwei Jahre ist es her, da bewarb ich mich ohne jedwede Erwartungen mit meiner »Neunten Träne« um das allererste PAN-Stipendium, und gewann es. Das war eine große Sache für mich, hat meinem Selbstbewusstsein sehr gut getan und mir geholfen, die Verdienstverluste, die ich durch Covid erlitten habe, abzupuffern – und hätte ich nicht ausgerechnet im Förderzeitraum unter einer schweren Depression gelitten, hätte ich aus dem Stipendium und dem damit verbundenen Mentoring noch mehr rausholen können. Aber so oder so war es ein großer Gewinn, und jetzt, wo der erste Band der »Träne« fertig ist (und ich wie der Ochs vorm Berg vor dem zweiten Band stehe), kann ich sagen, dass ich sehr davon profitiert habe.

Seitdem habe ich immer wieder gehofft, einmal etwas zurückgeben zu können. Und jetzt habe ich genau dazu die Möglichkeit. Denn auch in diesem Jahr wird das PAN-Stipendium vergeben, und weil in der Kategorie Debüt eine Jurorin aus gesundheitlichen Gründen aussteigen musste, hat das Phantastik-Autoren-Netzwerk bei mir angefragt, ob ich Lust und Zeit habe, den vakanten Posten zu besetzen. Und obwohl ich wusste, dass damit auch nicht zu verachtende Arbeit mit verbunden ist – ausgerechnet diese Kategorie war in den letzten Jahren immer die einsendungsstärkste – musste ich nicht lang überlegen.… Weiterlesen

Weltenbasteln schwergemacht

Wenn ich sage, dass ich meine erste Welt mit elf Jahren gebastelt habe, klinge ich wie ein Routinier, aber kaum etwas stimmt weniger als das. Und die Bezeichnung »Welt« ist dafür auch zu weit gegriffen – es war eine einzelne Insel, die ich in einer Freistunde malte, und der ich den Namen »Gauklerinsel« gab. Wie detailliert oder nicht das Ganze war, kann ich heute schlecht nachvollziehen, das Blatt ist nicht erhalten, ich weiß aber noch, dass ich nicht zufrieden mit meiner Arbeit war – ich wollte mir Geschichten ausdenken, die in diesem Land spielen sollten, und fand keine; ich hatte das Bedürfnis zu schreiben, aber mir fehlte alles, was heute mein Handwerk ist, und wirklich, ich war elf Jahre alt und sollte nicht allzu hart mit mir sein.

Von der Gauklerinsel blieb nur der Name, den ich zwanzig Jahre später für das Setting einer anderen Geschichte benutzte – nun kein ganzes Land mehr, sondern nur noch ein winziges Inselchen mit einer einzigen Stadt drauf, und es wurde die beste, lebendigste, fühlbarste Welt, die ich je erschaffen hatte, aber an der Stelle denke ich, die Ansprüche an ein Inselchen sind deutlich geringer als an eine ganze Welt. Und mit ganzen Welten tue ich mich schwer, so unnötig schwer, dass meine Geschichten darunter leiden müssen.… Weiterlesen

Es werde Lichtland II

Es gibt Bücher, die schreibe ich in einem Rutsch runter, wie »Die gehörnte Prinzessin« oder »Geigenzauber«. Es gibt Bücher, die verbringen ein paar Jahre in Arbeit und liegen dann noch mal auf der Halde, bis ich einen Schluss für sie zustandegebracht habe. Und dann gibt es Bücher, die werden und werden nicht fertig, auch nach über zehn Jahren nicht, und lassen einen doch nicht los. So ein Buch ist »Lichtland«.

Es ist ein bemerkenswertes Buch. Eines, das im Gedächtnis bleibt. Noch Jahre, nachdem ich schon längst nicht mehr aktiv an dem Buch schrieb, fragte meine Mutter danach. Nicht, ob ich noch daran arbeitete – sondern um sicherzustellen, dass ich es nicht tat. Wenn ich ihr von einer neuen Idee erzählen wollte, kam mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein »Aber an dieser Licht-und-Dunkel-Geschichte schreibst du nicht mehr, nein?« Und dann war sie erleichtert, wenn ich das bestätigte. Ich freue mich, wenn meiner Mutter meine Bücher gefallen, und ich halte wirklich große Stücke auf ihre Kritik. Aber ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich nur für sie schriebe. Oder dass es ein Todesurteil ist, wenn sie einmal ein Buch von mir nicht mag. Denn so wenig das Konzept von »Lichtland« meine Mutter überzeugen konnte, so sehr liebe ich das Buch und seine Figuren.… Weiterlesen