Nichts anzuziehen, oder: Scanner am Werk

Wer kennt es nicht, das Gefühl, vor einem vollen Kleiderschrank zu stehen und sich zu fühlen, als hätte man nichts anzuziehen? Ich. Mir ist das noch nie passiert. Mein Kleiderschrank ist voll, und ich greife nach irgendwas, Hauptsache einigermaßen sauber und, gegenwärtig besonders wichtig, warm genug. Draußen herrscht Winter, und wir beheizen gerade nur einzelne Zimmer, nicht das ganze Haus, weil unsere Gasrechnung durch die Decke gegangen ist. Ich friere hier vor mich hin. Aber zumindest vor dem Kleiderschrank muss ich nicht lange zögern, so schwer ich mich sonst auch mit Entscheidungen tun mag.

Aber im übertragenen Sinn geht mir das gerade genauso. Ich habe nichts zu schreiben. Und da ich mir vorgenommen habe, dieses Jahr wirklich jeden Tag mein Pensum zu schreiben, 1.370 Wörter oder mehr, bringt mich das gerade in die Bredouille. Ich habe »Owls End«, an dem ich die letzte Woche über gearbeitet habe, gerade für ein paar Tage beiseite gelegt, um mein Plotproblem zu lösen. Bis ich da etwas gefunden habe, muss ich also an etwas anderem schreiben. Und ich habe nichts, obwohl meine Liste der Bücher in Arbeit ebenso lang ist wie die Liste an Büchern, die erst noch geschrieben werden wollen.

Ich bin Multitasker. Seit vielen Jahren schreibe ich an mehreren Büchern parallel – und irgendwie wird die Liste der angefangenen Bücher immer länger, obwohl ich auch jedes Jahr etwas zu Ende schreibe.… Weiterlesen

Wenn die Eulen enden

Ich habe ein ganz besonderes Verhältnis zu Eulen. Den größten Teil meines Lebens über glaubte ich, die Eule im Wappen zu führen: Ein ahnenforschender Vorfahr von mir hatte den Namen meiner Familie per Stammbaum auf die Schreibweise Ulich zurückführen können, und wo soll Ulich herkommen, wenn nicht von der alten Ul, der Eule? Zugegeben, dieser Ahnenforscher war Westfale, und im Plattdeutschen heißt die Eule tatsächlich Ul, oder Uule – der Name IIisch kommt aber aus dem polnischen Raum, und im Polnischen heißt die Eule Sowa. Sehr, sehr unwahrscheinlich, dass meine Vorfahren wirklich einen Garten voller Eulen hatten. Tatsächlich geht der Name Ilisch (oder Ulich) wahrscheinlich auf das Wort Ulica zurück, was Straße bedeutet: Also eher jemand, der an der Straße gewohnt hat oder viel auf ihr unterwegs war: Eher ein Hausierer denn der Gehlehrte, den wir da gerne gehabt hätten.

Das hat mich aber nicht davon abgehalten, mit einen Siegelstempel mit Eulenmotiv zuzulegen. Und den Verlag, den ich einmal gegründet habe – und wieder abgemeldet, ohne auch nur ein Buch verlegt zu haben – »Nachtkauz Verlag« zu nennen. Ich habe sogar eine kleine Eulensammlung, die sich über die Jahre mehr zufällig hier eingefunden hat. Ich mag Eulen wirklich, und was mich angeht, betrachte ich sie auch jetzt, nachdem meine Eltern die wahren Hintergründe des Familiennamens herausgefunden haben, immer noch als Wappentier ehrenhalber.… Weiterlesen

The Cover of the Rolling Stone

1973 sangen Dr. Hook & the Medicine Show in einem Lied aus der Feder des von mir sehr bewunderten Shel Silverstein darüber, dass sie auf das Cover des Musikmagazins »Rolling Stone« wollten – Zeichen dessen, dass man es wirklich geschafft hat im Showbiz. Fünf Exemplare wollten sie für ihre Mutter kaufen, dann hat die was zum Angeben, und das erinnert mich an das eine Mal, als ich es als Sechsjährige mit Foto in die Ruhrnachrichten geschafft habe mit einer hilflos verkehrt gehaltenen Ukulele und der Überschrift »Maja zupft wie Marilyn«, weil der Reporter eigentlich wegen eines in meinem Elternhaus stattfinden sollenden Muttermilchtests angereist war, der Muttermilchtester sich aber verspätete, der Reporter wenig Zeit hatte, Platz in der Zeitung zu füllen war und da dieses herzige blondlockige Kind herumlief, während die väterlichen Instrumente die Wand säumten. Und so wurde mir kurzerhand das hawaiianische Nationalinstrument in die Hände gedrückt, als wär es eine Puppe, ein Bild geschossen, und am anderen Tag hatte ich meine fünf Minuten Ruhm und meine Oma ein Exemplar der Zeitung zum Drauf-Stolz-Sein, und noch Jahre später hat sie diesen Artikel noch herumgezeigt. Und ich wette, weil bei meinen Eltern nichts wegkommt, haben sie noch irgendwo in der Schublade eine Fotokopie dieses Artikels liegen.… Weiterlesen

Einspruch, euer Ehren!

Eigentlich sollte »Wie Haut so kalt« schon im letzten Herbst fertig werden, noch vor dem Nano, das war der Plan. Daraus geworden ist – nichts. Damit reiht sich WHSK nahtlos in die Reihe der Bücher ein, die 2022 unbedingt hatten fertigwerden sollen und das, aus den unterschiedlichsten Gründen, nicht getan haben. Hier habe ich mich in einer juristischen Zwickmühle verfangen: Varda hat zwei Prozesse vor sich, einen, in dem er selbst angeklagt ist, und einen, in dem er als Zeuge aussagen soll, dahinein fällt dann auch noch der dramatische Höhepunkt des Buches, ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich die Handlung auflösen soll, und ohne einen roten Faden sollte man als Autor ohnehin nicht an ein Buch rangehen, aber ganz sicher nicht an einen dramatischen Gerichtsprozess.

Jetzt bin ich kein Jurist. Alles, was ich über Strafprozesse weiß, habe ich bei »Richterin Barbara Salesch« gelernt. Damit klinge ich jetzt unfähiger, als ich wirklich bin. Denn bei Barbara Salesch war ich nicht nur Zuschauerin, ich habe auch selbst als Laiendarstellerin mitgewirkt – und, was noch mehr ist, selbst Fälle geschrieben. Das war meine erste richtige bezahlte Autorentätigkeit. Und nachdem ich das lange als irgendwie peinlich unter den Teppich gekehrt habe, bin ich heute doch wieder ganz anständig stolz darauf.… Weiterlesen

Der Romanfriedhof: »Zirkus in der Stadt«

Neues Jahr, neues Glück: Es ist wieder an der Zeit, zurückzublicken auf diejenigen Geschichten, die auf die eine oder andere Weise, aber immer spektakulär, gescheitert sind. Heute: Ein Werk, das den Titel »Roman« nicht verdient hat, aber die Weichen gestellt hat für Jahrzehnte voller vor die Wand gefahrener Geschichten.

Ich war gerade acht Jahre alt geworden und ging ins zweite Schuljahr, als ich anfing, ein Buch zu schreiben. Ich weiß noch, dass ich während einer Schulstunde damit anfing: Wahrscheinlich im Förderunterricht, weil ich mich in diesem Fach meistens selbst beschäftigen durfte (und es über alle Maßen genoss, einmal etwas Zeit für mich allein zu haben). Jedenfalls malte ich ein Bild von einem Clown, der mit Bällen jongliert, und schrieb den Titel »Zirkus in der Stadt« dazu, und wo ich gerade dabei war, fing ich auf der Rückseite des Blattes an, die Geschichte dazu aufzuschreiben. Diese Version ist nicht erhalten, auch wenn weder ich, noch meine Eltern sie jemals weggeworfen hätten, aber ich war nie der ordentlichste Mensch, und irgendwann muss sie verlorengegangen sein.

Es war nicht die erste Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte, wohl aber die erste, die ich aufschrieb. Und es geschah aus einer Laune heraus, ohne lange Planung, Plotten oder auch nur eine Idee .… Weiterlesen

Wat kütt? Dat kütt! VIII

Das Karussell dreht sich unerbittlich, und schon ist das nächste Jahr herum und wieder an der Zeit für den Ausblick, was ich in diesem Jahr alles schreiben will. Und ich frage mich allmählich, warum ich das jedes Jahr aufs Neue mache, nur um mich dann doch nicht daran zu halten. Von den Büchern, die ich letztes Jahr auf diese Liste gesetzt habe und die eigentlich schon 2021 »unbedingt und ganz sicher« fertig werden sollten, ist auch 2022 kein einziges fertiggeworden. Und so sieht meine Liste für dieses Jahr praktisch identisch aus zu der Liste vom letzten Jahr, die identisch aussah zur Liste von 2021, die nur deswegen nicht so aussah wie die Liste von 2020, weil ich in den Jahren 2019 und 2020 praktisch nicht gebloggt habe und dementsprechend auch keinen Jahresausblick gepostet habe.

Wie schon im Katastrophenjahr 2021 war auch 2022 mein Schreibjahr, gelinde gesagt, bescheiden. Es ging mir über weite Teile des Jahres psychisch sehr schlecht, ich war im Frühling drauf und dran, mich selbst in die Psychiatrie einzuweisen und habe es nur deswegen nicht getan, weil das mit der Premierenlesung des »Gefälschten Landes« kollidiert wäre. Danach ging es mir zwar ein bisschen besser – geschrieben habe ich trotzdem praktisch nichts, bis ich Ende des Jahres einen Lichtblick-Nanowrimo hatte, der mich auf Spur zurückgebracht hat und mir das einzige fertiggestellte Buch des Jahres eingebracht hat – aber das hatte ich im Nano neu angefangen, es stand nie auf meiner Jahresplanliste, und das ist letztlich auch nur ein Grund mehr dafür, die Existenz dieser Liste zu hinterfragen.… Weiterlesen

Besser als gedacht

Bereits Anfang 2019 hatte ich die Idee für einen neuen High Fantasy-Mehrteiler, eine Geschichte, wie ich sie immer schon einmal schreiben wollte: Retro-Fantasy vom Feinsten, eine Sammelqueste auf der Suche nach neun göttlichen Artefakten, getragen von einer Gruppe schillernder Figuren. Es juckte mich in den Fingern, sofort damit loszulegen, aber ich durfte nicht: Erst einmal musste ich meine Neraval-Sage fertigstellen, von der da gerade der erste Band erschienen war und Teil zwei und drei noch ausstanden. So schrieb ich nur einen Prolog und ein Probekapitel um die Abenteuer des von mir liebervoll Nekro-Andi genannten Totenbeschwörers Andreu Madun, hatte Spaß daran, und wandte mich wieder meinen Fälschern zu.

Erst, als da der dritte Band auf seine Fertigstellung zusteuerte, wagte ich es wieder, meine Tränenjäger hervorzuholen, denn ich witterte eine große Chance für diese Geschichte: Das Phantastik-Autorennetzwerk PAN hatte sein erstes Stipendium ausgeschrieben, das ich durchaus gut brauchen konnte, für ein in Arbeit befindliches Werk, der Förderungszeitraum schloss genau an den Abgabetermin des »Gefälschten Landes« an, und der einzureichende Umfang entsprach genau dem einen Kapitel, das ich schon hatte. So machte ich mit, erwartete nicht viel – und gewann.

Der Sieg selbst verpasste mir Auftrieb, die damit verbundene Anerkennung war genau das, was ich nach der durchwachsenen Kritik für mein »Gefälschtes Siegel« brauchte, und nachdem sonst alle Preise in der Phantastik ohne mein Zutun vergeben wurden, war es schön, endlich einmal etwas zu gewinnen.… Weiterlesen