Stubenhocker

Es ist lange her, dass ich ein Waldkind war. Damals, als ich im Ruhrgebiet gelebt habe, war ich wirklich viel draußen. Wir hatten über eine längere Zeit keinen Garten – unser Vermieter hatte das Grundstück, wo unser erster Garten war, als Bauland verkauft – aber das hat mir nicht so viel ausgemacht: Auf unserer Straße gab es etwas viel besseres. Sie endete in einer Sackgasse, danach kam ein Brennesseldickicht, dann ein Stück Brachland, wo ein alter Tiefbunker war, in dem wir Mutproben abhielten, und hinter dem Brachland kam ein riesiger Wald, der Kärling. Wenn man »kindheit im Ruhrgebiet« hört, denkt man wahrscheinlich erst einmal an dreckige Häuserschluchten, aber ich hatte wirklich viel wildes Grün, um dort zu spielen, und das habe ich, allein oder mit meinen Freunden oder Geschwistern, wirklich gern getan. Später bekamen wir dann noch einen neuen Garten, aber der war keine Konkurrenz zu dieser wunderbaren Wildnis.

Wir sind da weggezogen, als ich acht Jahre alt war, und ich trauere meiner Straße, meinen Freunden und meinem Kärling immer noch nach. Stattdessen landete ich im Münsterland, wo wir einen wirklich großen Garten hatten, aber keinen Wald mehr, wo die Kinder zu sauber und ordentlich waren, um eine Wildnis zum Spielen auch nur zu vermissen, und wo ich mich schwer tat, Fußzufassen.… Weiterlesen

Wolken Schatten Spiegel Zeit II

Normalerweise, wenn ich ein Buch auf meinem Romanfriedhof zu Grabe trage, bedeutet das, dass dieses Buch tot ist, mausetot, und ich nie wieder daran arbeiten werde. Es gibt Ausnahmen – so habe ich »Die Welt in der Wühlkiste« ausgeschlachtet und daraus meine »Neraval-Sage« gemacht, und ich plane schon ganz lange, »Klagende Flamme« komplett neu aufzuziehen, abzüglich der zu spät erkannten rassistischen Tendenzen der ersten Fassung, aber noch habe ich mich da nicht drangetraut, da ich mir nicht sicher bin, ob ich schon in der Lage bin, wirklich etwas Besseres als damals aus der Idee zu machen. Aber mit meinem letzten Friedhofsfall ist etwas Erstaunliches passiert. Ich hatte den Beitrag für mein Blog eben erst beendet, und noch nicht gepostet, als ich spontan Lust auf das Buch bekam. Und die Graberde hatte sich noch nicht gesetzt, da griff ich zur Schaufel und buddelte meine Buchleiche wieder aus.

Über diese Geschichte zu schreiben, hatte mir vor Augen geführt, wie stolz ich eigentlich auf das Konzept war, wie sehr ich die Figuren immer noch mochte – und wie gut dieses Buch doch auf dem heutigen Buchmarkt funktionieren könnte. Vor elf Jahren, als ich meinen ersten Versuch mit den »Kindern des Hauses Otrempa« machte, war der Plot, wie so vieles, was ich schreibe, ein Outlier.… Weiterlesen