Mein Lieblingsbuch

Die wahrscheinlich früheste erhaltene Tonaufnahme von mir befindet sich am Ende eines Mixtapes, das mein Vater für mich aufgenommen hat, als ich drei oder vier Jahre alt war. Nach der Mischung aus Kinderliedern, Folk- und Protestsongs war ein noch ein bisschen Platz auf der Kassette, und mein Vater hat einen kleinen Dialog zwischen uns mit dem Mikrophon des Kassettenrekorders aufgenommen. Welches Lied auf der Kassette mein Lieblingslied ist, fragt er mich, und ich antworte mit beinahe entrüstetem Ernst: »Alle Lieder auf dieser Kassette sind meine Lieblingslieder!« Aber unter väterlichem Druck, genötigt, mir eins auszusuchen, sage ich dann doch, und ohne lange zu zögern: »Denn der Otto, denn der Otto, der ist Maurer« – immerhin ein Kinderlied, wenn auch ein ziemlich politisches, von Fredrik Vahle.

Die Kassetten – insgesamt sechs Stück hat mir mein Vater über die Jahre in den späten Siebzigern aufgenommen – habe ich bis heute, sie sind sogar der Grund, warum ich bis heute ein Kassettendeck an meiner Stereoanlage besitze, und ich finde immer noch, dass alle Lieder auf diesen Kassetten zurecht meine Lieblingslieder sind. Nur den Maurer Otto würde ich mir heute nicht mehr als Lieblings-Lieblingslied raussuchen. Da hat sich in den letzten fünfundvierzig Jahren mein Geschmack doch leicht verlagert.… Weiterlesen

Stehenbleiben

Manchmal ist es leichter, weiterzulaufen als stehenzubleiben. Im letzten Jahr, am ersten Januar, fing ich an zu laufen. Nicht mit meinen Füßen, nicht draußen – ich wünschte, ich könnte endlich meine Probleme, das Haus zu verlassen und mich zu bewegen, überwinden, aber noch ist es leider nicht so weit – aber beim Schreiben. Ich setzte mir ein Ziel, wie ich in dem Jahr zu schreiben gedachte, und jeden Tag, den ich 1/365 dieses Jahreszieles schaffte, zählte für meinen Lauf. Meine Hoffnung war, den Lauf so lang wie möglich durchzuhalten, um endlich, zum ersten Mal seit nicht weniger als zwölf Jahren, mein Ziel auch zu erreichen.

Anfangs fiel es mir schwer. Ich war aus der Übung, hatte in den vergangenen Jahren nur wenig, zu wenig, geschrieben, und musste erst einmal wieder in Übung kommen. Aber ich biss mich durch, lief tapfer jeden Tag mein Pensum, und als das Frühjahr kam, hatte ich mich eingegroovt. Ich lief durch das ganze Jahr, und was eine Stütze gewesen war, wurde zum Selbszeck. Mein Lauf half mir, zum ersten Mal seit Ewigkeiten tatsächlich mein ehrgeizig gestecktes Jahresziel zu erreichen, und, weil ich einfach nicht zu laufen aufhören wollte, bei weitem zu übertreffen.

Ich lief, egal was sonst auch passieren mochte.… Weiterlesen