Wunder gibt es immer wieder

Gegen Ende der Mittelstufe hatte ich nicht wirklich viele Freunde in meiner Klasse, oder zumindest keine, die im Zweifelsfall zu mir gehalten hätten. Aber das glich ich durch meine zahlreichen Brieffreunde aus, deren Adressen ich über den International Youth Service, ein finnisches Unternehmen, das damals schon Computer zur Partnervermittlung nutzte, bekommen hatte. Angelica und Anna aus Schweden schrieben jeweils nur einmal, Lisbeth in Dänemark habe ich sogar besucht, woraufhin sie sich nie wieder meldete, kaum besser lief es mit Zoe aus England, spannend waren Azhawati aus Malaysia oder Young Yo aus Korea, von der ich inzwischen vermute, daß Young ihr Nachname war… Und dann gab es noch Molly aus Ohio und Julia aus New York.

Vor allem Julia. Sie war eine verwandte Seele, Umweltaktivistin, Dichterin, sehr unamerikanisch auf der einen Seite und doch genau das, was ich mit unter meiner amerikanischen Brieffreundin vorgestellt hatte. Einmal wäre sie mich fast besuchen gekommen, die Eltern hatten schon zugestimmt, aber dann ist doch nichts draus geworden, trotzdem: Die Brieffreundschaft bestand fort. Wir schrieben uns von 1989 bis 1994, eine lange Zeit für so junge Menschen wie uns, und dann passierte das übliche: Wir beendeten die Schule, traten ein in den Uni- oder Collegealltag, das Leben veränderte sich radikal binnen kürzester Zeit, und plötzlich schlief die Brieffreundschaft ein, einfach so.… Weiterlesen

Ganz schön schön II

Da habe ich mich neulich noch lang und breit darüber ausgelassen, wie gründlich die Bild-Zeitung darin ist, nahezu jede Frau mit dem nichtssagenden Attribut schön zu belegen, und daß sie das nicht mit Männern machen – und als läsen die Bildr-Redakteure dieses Blog, gibt es heute schon ein Gegenbeispiel: Einen schönen Mann. Besser noch: Einen schönen Fußballer.

Der Artikel ist genauso aufgebaut wie diejenigen, die ich beim letzten Mal herangezogen habe, mit einem Unterschied: Die Geschlechter sind vertauscht. Shakira ist sie selbst, muß nicht erklärt werden – sie ist nicht »die schöne Kolumbianerin« oder »die schöne Popsängerin«, noch nicht mal das Wort sexy fällt – dafür ist Gerard Piqué nicht nur der Fußballer, sondern »der schöne Fußballer« – und das ist kein Versehen, denn eine Zeile apäter ist er »der schöne spanische FC-Barcelona-Star«. Natürlich, so ein Star ist er dann doch wohl nicht, wenn es so viele Zusatzattribute braucht, aber ausgerechnet schön… Für einen Mann… Mein Weltbild ist aus den Fugen!

Aber warum ausgerechnet der? Da sind andere Männer aber viel, viel schöner…… Weiterlesen

Alles aus einer Hand

Ich fahre zur Zeit nicht besonders gerne Bus. Nachdem ich fast den ganzen Dezember über unter einer Psychose gelitten habe, die mich vor allem im Umgang mit anderen Menschen oder auch nur in ihrer Umgebung sehr aggressiv gemacht hat. Und da gibt es kaum etwas schlimmeres als einen überfüllten Bus voller Leute, die lärmen und müffeln und drängeln und stören. Die Alternative ist, zu Fuß zu gehen, was mir nur gut tut und auch zu meinem Ansinnen paßt, dreißig Kilo zu verlieren, aber bei diesem Wetter… Drei Kilometer durch den Regen, das ist auch kein Vergnügen, und da fahre ich dann doch lieber mit dem Bus. Wenn ich Glück habe, kriege ich einen Platz ganz vorne und muß keine anderen Leute sehen, sonder kann vorne rausgucken, aber der Platz ist natürlich als erster weg.

Also habe ich heute einem Mann gegenübersitzen müssen – dachte ich zumindest. Denn ganz schmal und auf den ersten Blick fast zu übersehen, daß neben dem Mann am Fenster noch ein ganz kleiner Junge. Ich würde ihn auf drei Jahre oder so schätzen, und der Vater war so in meinem Alter. In jedem Fall wußte das Kind, was es wollte. »Lies mir eine Geschichte vor!«
Wie schön, ein Kind, das schon in jungen Jahren dem Zauber verfallen ist… Aber der Vater mußte ihn vertrösten.… Weiterlesen

Die Kinder des Hauses Otrempa

Es gibt Neues von meinem Projekt Wolken Schatten Spiegel Zeit, angefangen damit, daß es jetzt nicht mehr so heißt, sondern Die Kinder des Hauses Otrempa. Womit die Hauptfigur zum drittem Mal ihren Namen geändert hat und jetzt Kierom Otrempa heißt, noch, denn vielleicht werde ich den Hausnamen auch noch in ‚Otrampi‘ ändern, mal sehen, was mir auf die Dauer besser gefällt. Aber nur wegen Namen und Arbeitstitel würde ich noch keinen Blogpost verschwenden: Ich habe auch Plot zu vermelden. Oder besser: Setting. Wenn ich bedenke, daß Geigenzauber zehn Wochen nach der ersten Idee schon fertiggeschrieben war, hänge ich hier natürlich in der Entwicklung stark zurück. Aber man soll nicht alles vom Zaun brechen. Dieses Buch will langsam wachsen. Und das tut es.

Die Geschichte wird futuristisch. Kein Science-Fiction, sondern Fantasy, aber in einem futuristischen Setting. Man stelle sich so etwas wie Pekings Verbotene Stadt vor, nur in der Zukunft. So genau kann man das nicht sagen, weil es nicht in unserer Welt spielt, sondern in einer phantastischen, in der es Magie gibt, und dann läuft Entwicklung nie linear. Es ist jedenfalls eine Welt, in der man Magie nicht mehr unbedingt braucht und Könige erst Recht nicht – was die Magier nicht davon abhält, ihr eigenes Süppchen zu kochen und zu versuchen, alle Fäden in der Hand zu halten.… Weiterlesen

Alles griechisch, oder was?

Auf der Gauklerinsel bahnen sich Probleme an. Geplant sind noch vier weitere Kapitel, Plot habe ich aber eigentlich nur für drei. Ich habe schon gestreckt, was zu strecken war, aber so kurz vor dem Ende muß das Buch an Fahrt gewinnen und nicht noch abbremsen. Was lesen Leser lieber – ein Buch, das streng durchorganisiert und strukturiert ist und sich genau an seine Abmessungen hält, daber aber gegen Ende hin künstlich aufgebläht und langweilig ist, oder ein Buch, dessen letzter Teil kürzer ist als die vorhergegangenen, aber dafür saftig und knackig? Keine Frage, der Leser will unterhalten werden, seine eigene Spannung ist ihm wichtiger als irgendwelche Formalien. Ich könnte also ganz einfach hingehen und sagen, kein Ding, dann hat der sechste Teil eben nur vier Kapitel statt fünf. Doch so einfach ist das nicht.

Ich bin ritualbessen, strukturfixiert, und suche in allem Muster und Symmetrie. Damit kann man leben, sogar wenn es ums Schreiben geht. Problematisch wurde es noch nicht einmal, als ich erkannte, wie sehr die Gauklerinsel in ihrem Aufbau der klassischen griechischen Tragödie ähnelt: Ein Prolog, dann, unterbrochen von Zwischenspielen, sechs Blöcke à fünf Kapitel, und am Schluß kommt ein Epilog. Wie schön symmetrisch! Wie schön strukturiert! Nicht, daß das irgend einem Leser mal auffallen würde, denn sowas interpretiert man nur in seine Schullektüren hinein, und dafür ist dieses Buch zu dick, aber trotzdem war es geeignet, mir ein Ansehen zu geben, wenn ich beläufig erwähne, daß die Gauklerinsel doch aufgebaut ist wie eine Drama mit Versen und Chori, und daß sie am Ende auf die Katastrophe hinsteuert, ganz wie es muß bei den Griechen…

Ehrlich, ich kann mit griechischen Tradödien nicht viel anfangen, was das betrifft.… Weiterlesen

Trauma, Baby!

Man kann viel Spaß mit Verrückten haben. Zum Beispiel auf der Webseite parapluesch.de, wo man spielerisch psychisch kranke Kuscheltiere heilen kann. Da gibt es eine depressive Schildkröte, ein autistisches Nilpferd, ein Schaf mit multipler Persönlichkeitsstörung oder ein paranoides Krokodil. In niedlichen Flashanimationen wird der Patient psychoanalysiert, medikamentös behandelt, therapiert, und am Ende sieht man ihn ins Licht laufen. Das ist alles sehr nett, sehr süß, liebevoll gemacht und bietet eine Menge Langzeitspielspaß. Aber ist es deswegen auch gut? Nein. Ist es nicht.

Das Problem ist nicht einmal, daß hier psychische Erkrankungen zum Inhalt eines Spiels gemacht werden – wenn es nach mir geht, darf und muß man über alles lachen können, von mir aus auch über Erkrankungen, die mit Mord oder Selbstmord enden können. Die Kuscheltier-Patienten werden auch nicht bloßgestellt, erstaunlich ernst genommen, und erwecken im Spieler vor allem Mitgefühl. Nur widerwillig setzt man das Tier den Qualen von Elektroschocks aus, so hilfsreich die auch sein mögen, oder verpaßt ihnen eine Spritze mit bösen Psychopharmaka, die es dann gleich haluzinieren lassen. Und wenn man am Ende die Ursache der Störung kennt und das arme Vieh geheilt entlassen kann, ist man glücklich und erleichtert.

Aber genau das ist der Punkt. Das Spiel fördert den beliebten Glauben, daß psychische Erkrankungen immer auf ein traumatisches Ereignis zurückzuführen sind und, wird das dann aufgearbeitet, heilbar.… Weiterlesen

Fasse dich kurz

Kinderbücher habe ich immer schon gern gelesen, und ich betrachte sie auch nicht als minderwertige Literatur gegenüber Büchern für Erwachsene. Ein gutes Kinderbuch sollte immer auch Erwachsenen gefallen, da stimme ich dem Arcanum-Verlag voll und ganz zu. Der hat nämlich eine neue Ausschreibung, Der kleine Goblin, bei dem ein Kinderbuch eingereicht werden soll, mindestens vom Kaliber Lindgrens, versteht sich. Oder Michael Endes. Keine Sorge, da will ich auch hin. Franz Hohler wäre auch gut, oder Nöstlinger. Und ich habe schon eine Idee. Mehr noch: Ich habe sogar schon mit ihr angefangen. Denn die Feststellung, daß es mit der Gauklerinsel nicht so recht wuppen will, ich aber Wörter produzieren muß, bringt mich in eine Art Notlage.

Jetzt gibt es nur ein Problem: Der Wettbewerb hat eine sinnvolle Trennung – man kann ein Kinderbuch für 4-10-Jährige einreichen (was sehr schwer zu definieren ist, denn Vorschulkinder und gymnasiale Unterstufler haben für gewöhnlich sehr weit auseinanderliegende Interessen, Wortschätze und Wissenshorizonte) oder ein Jugendbuch für die 9-14-Jährigen. Letzteres darf bis zu 300.000 Zeichen lang sein, aber das Kinderbuch höchstens 55.000. Nicht Wörter, Zeichen. Sowas zähle ich normalerweise nicht, aber ich überschlage mal, daß das auf ungefähr sieben- bis achttausend Wörter hinausläuft. Viel ist das nicht, erst recht nicht für einen Roman.… Weiterlesen