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Alles so schön bunt hier!

Als ich meine erste richtige Autorenwebseite aufsetzte – und damit meine ich nicht die Seite, die ich 1998 auf Geocities hochgeladen habe – wusste ich, was ich wollte: Klare Linien, strenge Farben. Ich war eine unveröffentlichte Autorin, aber ich wollte trotzdem ernstgenommen werden, und zum Ernstnehmen gehörte ganz klar, dass meine Webseite nicht in Regenbogen- und Bonbonfarben daherkommen sollte. Alles, nur kein Klickibunti, war meine Devise, und so zog ich meine Seite in Grauschattierungen auf. Und ich finde immer noch, dass sie wirklich sehr stylisch war. Den gesamten Quellcode von Hollow Willow – die Domain hatte ich ursprünglich registriert, um unserer Kölner WG ein öffentliches Gesicht zu geben – hatte ich per Hand geschrieben, valides HTML, CSS und ein bisschen PHP, und ich fand, dass sie mich wirklich sehr gut repräsentierte.

Ich führte mein Autorenblog auf dieser Seite, postete ein paar Leseproben und Gedichte, aber als meine erste Veröffentlichung anstand, fand ich, dass diese Seite nicht professionell genug war. Schließlich sollte eine Autorin doch eine Domain verwenden, die so hieß wie sie selbst und nicht auf einem Wortspiel über einen Kölner Stadtteil basierte, vor allem, wenn man da längst nicht mehr wohnte. Und weil es mir endlich gelungen war, meinen Nachnamen als Domain zu registrieren, machte ich Nägel mit Köpfen und richtete mir eine neue Webseite ein.… Weiterlesen

Engel auf meiner Schulter

Wie ich schon angekündigt habe, ist 2025 für mich ein Jahr der runden Jubiläen, und das erste ist gerade ziemlich unvorbereitet über mich hereingebrochen. Eigentlich wollte ich einen Kuchen backen, eigentlich hatte ich lustige Spiele in den sozialen Medien geplant, und stattdessen reicht es jetzt nur für einen Blogartikel – und ich denke nicht, dass irgendjemand die lustigen Spiele vermisst hat, denn den Geburtstag, den ich heute feiere, feiere ich doch ziemlich allein. Die Geschichte, um die es geht, ist weitgehend unveröffentlicht, kaum jemand außer mir kennt sie, und das kleine Fandom, das sie tatsächlich einmal hatte, hat sich längst in alle Winde zerstreut. Und doch feiere ich heute, im Kleinen, den fünfundzwanzigsten Geburtstag einer Geschichte, die einfach nicht totzukriegen ist.

Ich war noch keine fünfundzwanzig Jahre alt, Buchhandelsauszubildende, lebte in Köln in einer richtig coolen WG, als ich auf dem Heimweg in der Straßenbahn nach Holweide mein Schreibzeug auspackte und mit einer Geschichte anfing, die mir seit ein paar Tagen durch den Kopf geisterte. Nicht im Traum wäre ich damals auf die Idee gekommen, dass ich, wenn ich einmal doppelt so alt wäre, immer noch an genau diesem Werk schreiben würde, dass ich über dieses Buch einmal eine Literaturagentur finden würde und eine ganze Reihe von Freund:innen, dass dieses Buch an mir kleben würde wie der Kaugummi unterm Schuh und immer wieder zu mir zurückkehren, auch wenn ich zwischendurch kurz davor stand, meine Engel zu Grabe zu tragen.… Weiterlesen

Ich darf das!

Seit vielen Jahren werde ich nicht müde zu erklären, dass ich meine Bücher, auch wenn ich viele Geschichten mit queeren Hauptfiguren schreibe, nicht im Sortiment eines schwul/lesbischen Nischenverlags sehe, sondern damit einen Platz im allgemeinen Sortiment beanspruche. Womit ich den dediziert queeren Verlagen nicht ihre Existenzberechtigung absprechen möchte – aber ich habe ein Problem mit der Vorstellung, dass queere Stoffe in eine Art literarisches Reservat gehören und Hetero-Lesern alles, was nicht hetero ist, nicht zuzumuten ist. Ich möchte eine Normalität erreichen, im Alltag wie in der Literatur, und auch im Großverlag – ein bisschen Größenwahn muss erlaubt sein – über queere Stoffe schreiben dürfen.

In den letzten Jahren hat sich da vieles getan. Vor zehn Jahren hat mir noch das Lektorat eines Großverlags mit Nachdruck aufgetragen, dass das Happyend gefälligst zwischen der Protagonistin und einem Mann zu sein hat. Vor fünfzehn Jahren kam vom Lektor eines nicht ganz so großen Verlags der Kommentar, dass nicht beide Hauptfiguren schwul sein dürften – sie wären sich sonst zu ähnlich. Aber natürlich hätte man nichts gegen Schwule. Und im Zweifelsfall schiebt man den Schwarzen Peter dem Publikum zu, das ja einfach noch nicht so weit ist und solche Themen nicht akzeptiert, und natürlich will ein Verlag ein Buch, das am Ende niemand kauft, nicht machen.… Weiterlesen

Autorenstimmen II

Wenn es eine Sache gibt, die ich wirklich immer gerne tue, ist das Vorlesen. Ich habe meinen Geschwistern vorgelesen, als sie noch kleiner waren und sich über Gute-Nacht-Geschichten freuten, und als sie und ich älter wurden, habe ich andere Ausreden gefunden, ihnen vorzulesen – vorzugsweise die Bücher, die ich selbst gerade mit Begeisterung gelesen hatte. Ich erinnere mich noch zu gut, wie ich meiner Schwester »Das letzte Einhorn« in Gänze vorgelesen habe, und weiß bis heute nicht, ob sie mich nur zu lieb hatte, um Nein zu sagen, oder ob sie da genauso viel Spaß dran hatte wie ich selbst.

Aber das reichte mir nicht. Ich wollte immer theaterspielen, aber die Theater-AG meiner Schule war so elitär, dass man ohne persönliche Empfehlung noch nicht mal zum Vorsprechen durfte, und so blieb mir das Vorlesen als nächstbeste Sache. Als ich so sechzehn, siebzehn Jahre alt war, nahm ich meinen Mut zusammen und marschierte ins Altersheim meiner münsterländischen Heimatstadt, wo ich erklärte, dass ich gern den alten Leuten vorlesen würde. Egal was sie hören wollten, ob Rosamunde Pilcher oder Agatha Christie, selbst Konsalik hätte ich angefasst, solange man mich nur vorlesen ließ. Die Frau an der Rezeption notierte sich meine Telefonnummer, ich ging nach Hause – und hörte nie wieder etwas davon.… Weiterlesen

Wandbilder und Zeitzeichen

Manchmal hat man ein Buch, das erscheint so dermaßen wichtig, dass es seine Autor:innen vor Respekt in die Knie zwingt. So ergeht mir das gerade mit meinem neuen Kinderbuch, Arbeitstitel »Die verborgenen Bilder«. In einer Zeit, in der »Kinderbuchautor« als Beleidigung verwendet wird, ist es mir wichtig zu zeigen, wie wertvoll es ist, mit Büchern diejenigen zu erreichen, die einmal über das Schicksal dieser Welt entscheiden werden; in den Köpfen etwas zu bewegen, das Denken anzuregen und das Verstehen. Kinderbücher sind wichtig, Kinderbücher sind mächtig – so mächtig, dass sie den Menschen, die etwas gegen Selbstdenken haben, Angst einflößen.

Nicht von ungefähr sind Kinderbücher das erste, was in autokratischen Systemen verboten wird, was erst vom Lehrplan, dann aus der Schulbibliothek, der Stadtbücherei und am Ende den Buchhandlungen verbannt wird: Bücher über queere Selbstfindung, über kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, über Unterdrückung und Befreiung – in Russland und Ungarn wie in den USA finden reaktionäre Kräfte Argumente, weswegen diese Bücher von den Kindern ferngehalten werden müssen, und die Kinder von den Büchern. Und ich habe Angst, dass, bis Anfang 2026 »Die verborgenen Bilder« erscheinen, auch Deutschland in einer politischen Situation ist, wo Kinderbücher auf der Abschussrampe landen.

Als ich die Idee für das Buch hatte, waren von solchen Sorgen mir noch fern, und statt einer politisch aufgeladenen Geschichte sollte das ganze eine nette Gruselstory werden.… Weiterlesen

Aus alt mach neu

Bei Computerspielen ist das schon ganz lang ein Trend: Alte Spiele erscheinen in einer Neuauflage, die den technischen Entwicklungen Rechnung trägt, mit mehr oder weniger überholten Grafiken, und werden damit für ein modernes Publikum wieder spielbar. Was das angeht, warte ich ja schon seit Ewigkeit auf einen Reboot meines bald fünfzehn Jahre alten Lieblingsspiels »Dragon Age – Origins«, zu dem ich meine erste und einzige Fanfiction geschrieben habe. Manchmal sind diese Remakes wirklich eine Offenbarung und gewinnen dem alten Spiel neue Aspekte ab, manchmal stellen sie einen echten Rückschritt dar, und manchmal sind sie virtuell vom Original nicht zu unterscheiden und nur ein Versuch, ein bisschen Geld zu drucken. So oder so, sie sind nicht mehr wegzudenken. Und warum auch nicht? Vielleicht braucht ein Game von 2020 noch kein Remake, aber die Chance, alte DOS-Graphiken, ausgelegt auf eine Bildschirmauflösung von 360×480 Pixeln wieder spielbar zu machen, ist den Versuch zumindest wert.

Aber es ist nicht nur die Technik, die sich in den letzten dreißig Jahren weiterentwickelt hat. Das gilt auch für mich und mein schreiberisches Talent. Ich werde, das habe ich schon mehrmals erwähnt, dieses Jahr fünfzig, und damit ist es an der Zeit für ein paar Rückblicke. Geschrieben habe ich schon vor vierzig Jahren und mehr, sicherlich war ich ein sprachlich begabtes Kind, aber erst im Studium und mit der Anschaffung meines ersten Computers habe ich wirklich große Entwicklungssprünge gemacht, und als ich 1997, parallel zur Diplomarbeit, meinen ersten Roman fertiggestellt habe, dachte ich, jetzt hätte ich es geschafft.… Weiterlesen

Wat kütt? Dat kütt! X

2025 wird ein Jahr der Jubiläen. Nicht nur haben wir eine schöne runde Jahreszahl, ist es ein Vierteljahrhundert her, dass wir das neue Jahrtausend eingeläutet haben – es ist auch das Jahr, in dem ich fünfzig werde, das Jahr, in dem die »Chroniken der Elomaran« fünfundzwanzig werden, und wo ich gerade dabei bin, ist es auch das zehnte Jahr, in dem ich in diesem Blog einen Ausblick auf die im jeweils neuen Jahr zu schreibenden Bücher veröffentliche. Dabei klinge ich wie eine kaputte Schallplatte: Jedes Jahr verkünde ich, dass ich 500.000 Wörter schreiben will, jedes Jahr verspreche ich, so richtig durchzustarten, endlich wieder zum Sport zu gehen, das Haus auf Vordermann zu bringen, und so weiter … Aber weil wir so ein Jubeljahr haben, und weil es mir psychisch endlich mal wieder besser geht, hoffe ich, dass ich dieses Jahr auch über die nackte Pflicht hinaus ein paar Kür-Erfolge werde einfahren können.

Zu 2024 muss ich nicht mehr viel sagen, weil ich gerade gestern erst meinen Jahresrückblick veröffentlicht habe. Konzentrieren wir uns also auf das, was kommt. Ich gehe mit großer Angst ins neue Jahr, wo es um die Welt- und Inlandspolitik geht. Schon im Februar wird neu gewählt, und ich bange von einem weiteren Erstarken der Rechten.… Weiterlesen

Ein Jahr im Schatten

2024 ist so gut wie rum, und es ist an der Zeit für meinen traditionellen Jahresrückblick. Nicht, dass ich vorhätte, dem Jahr viele Tränen nachzuweinen, aber ein paar Anmerkungen will ich mir schon noch gönnen. Es ist ein Jahr, in dem ich kaum gebloggt habe, und deswegen muss ich alles, was ich da nicht geschrieben habe, jetzt irgendwie in meinen Rückblick quetschen. Vor allem aber war es ein Jahr im Schatten – psychisch, weil ich es über weite Strecken des Jahres nicht aus dem Haus geschafft habe, und schreibtechnisch, weil es mir nicht gelungen ist, die überragende Leistung von 2023 zu wiederholen oder gar zu überbieten.

Aber es war kein grundsätzlich verlorenes Jahr. Ich habe auch Dinge geschafft, auf die ich stolz sein kann und das auch bin. Erstmal habe ich gar nicht so wenig geschrieben. Auch wenn es unterm strich nur halb soviel war wie 2023, waren das immer noch um die 300.000 Wörter. Allein im Nanowrimo habe ich 140.000 Wörter geschrieben und damit meinen persönlichen Rekord deutlich übertroffen. Das hat mich dann doch sehr dafür entschädigt, dass ich im Mai aus dem Schreibfluss geraten bin und von Juli bis Oktober überhaupt nicht mehr geschrieben hatte: Zum Ende des Jahres habe ich mir bewiesen, dass ich es doch noch kann, und so gehe ich nun guter Hoffnung ins neue Schreibjahr.… Weiterlesen

Glanz oder gar nicht

Da dachte ich, ich hätte das Patentrezept gefunden, um wie ein professioneller Autor zu leben und nie wieder einen Durchhänger zu haben: mit eisernem Willen und Disziplin. Nachdem ich 2020, 2021, 2022 wirklich maue Schreibjahre hatte, in denen ich weit hinter meinen selbstgesteckten Zielen zurückgeblieben bin, sollte ab 2023 alles besser werden. Mit dem ersten Januar startete ich ein Schreibregime, wie es strenger nicht sein konnte, und ich hatte Erfolg damit. An jedem Tag, jedem einzelnen Tag, schrieb ich brav mein Pensum von mindestens 1.390 Wörtern, egal ob ich gesund war oder krank, zuhause oder unterwegs.

Ich verpasste meinen geliebten Filkzirkel auf der Convention im Herbst, weil ich keine Schreibsession auslassen durfte, ich saß auf dem Tintenzirkeltreffen mit meinem Ipad und schrieb, umgeben von ebenfalls schreibenden Kolleg:innen, wie ein echter Profi, und selbst mit Covid und Fieber brachte ich mein Pensum zu Papier. Ich wusste, es war nicht das gesündeste Verhältnis zum Schreiben, das ich da entwickelt hatte, doch mir war wichtiger, meine Streak am Laufen zu halten, und unterm Strich schöpfte ich aus dieser Leistung so viel Zufriedenheit und Kraft, dass ich alles in allem mit einem Plus herauskam und meiner zunehmend besorgten Umgebung versicherte, dass sie sich keine Sorgen um mich zu machen brauchten.… Weiterlesen

Mitleidscrisis

Ich habe kürzlich meinen Geburtstag gefeiert, und es war mein neunundvierzigster. Da ich das Glück habe, ausgerechnet am Welttag des Buches meinen Geburtstag feiern zu dürfen, erinnern sich auch viele alte Bekannte an meinen Geburtstag, und ich konnte mich über zahlreiche liebe Glückwünsche freuen, die nicht nur auf der Facebook-Erinnerungsfunktion beruhten. Aber so sehr ich mich darauf gefreut habe, in ein neues Lebensjahr einzutreten, neue Chancen ergreifen zu könenn und leckeren Kuchen zu essen, ist mir in diesem Jahr doch plötzlich schmerzlich aufgegangen, dass ich wahrscheinlich die Hälfte meines Lebens – und die längere, was das betrifft – hinter mir habe und es von jetzt an nur noch bergab gehen kann. Und plötzlich bin ich wieder da, wo ich mit Anfang zwanzig war, und das nicht, um mich noch einmal jung zu fühlen.

Heute blicke ich zurück auf mein Studium als die schönste Zeit in meinem Leben, und es ist wahr, dass ich die Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, nicht mehr missen möchte, und vieles war wirklich, wirklich schön. Aber das Ganze wurde überschattet von etwas, das ich damals meine Quarterlifecrisis nannte und heute als die erste der Depressionen betrachte, die mich seit Jahrzehnten durch mein Leben begleiten. Damals war es die Angst, dass das Paradies nicht für immer andauern würde, die dazu führte, dass genau dieses Paradies Flecken bekam, und ich begann, mit einer Angst zu leben, für die ich kein Gegenmittel hatte: Die Angst vor meiner eigenen Sterblichkeit.… Weiterlesen