Kinderbücher habe ich immer schon gern gelesen, und ich betrachte sie auch nicht als minderwertige Literatur gegenüber Büchern für Erwachsene. Ein gutes Kinderbuch sollte immer auch Erwachsenen gefallen, da stimme ich dem Arcanum-Verlag voll und ganz zu. Der hat nämlich eine neue Ausschreibung, Der kleine Goblin, bei dem ein Kinderbuch eingereicht werden soll, mindestens vom Kaliber Lindgrens, versteht sich. Oder Michael Endes. Keine Sorge, da will ich auch hin. Franz Hohler wäre auch gut, oder Nöstlinger. Und ich habe schon eine Idee. Mehr noch: Ich habe sogar schon mit ihr angefangen. Denn die Feststellung, daß es mit der Gauklerinsel nicht so recht wuppen will, ich aber Wörter produzieren muß, bringt mich in eine Art Notlage.
Jetzt gibt es nur ein Problem: Der Wettbewerb hat eine sinnvolle Trennung – man kann ein Kinderbuch für 4-10-Jährige einreichen (was sehr schwer zu definieren ist, denn Vorschulkinder und gymnasiale Unterstufler haben für gewöhnlich sehr weit auseinanderliegende Interessen, Wortschätze und Wissenshorizonte) oder ein Jugendbuch für die 9-14-Jährigen. Letzteres darf bis zu 300.000 Zeichen lang sein, aber das Kinderbuch höchstens 55.000. Nicht Wörter, Zeichen. Sowas zähle ich normalerweise nicht, aber ich überschlage mal, daß das auf ungefähr sieben- bis achttausend Wörter hinausläuft. Viel ist das nicht, erst recht nicht für einen Roman.
Leider (was heißt hier leider?) handelt es sich bei meiner Idee um eine Geschichte für Grundschüler. Die wilde kleine Mirla ärgert sich, daß sie zum Geburtstag statt des erhofften knallenden und stinkenden Chemiebaukastens eine lachende und/oder weinende Babypuppe geschenkt bekommen hat. Als sie ihrem Ärger Luft macht und ihre Babysitterin damit bis zur Weißglut reizt, droht diese, die Kobolde zu rufen, damit sie Mirla im Tausch gegen ein Wechselbalg mitnehmen – nimmt jedoch Abstand, als sie sieht, wie begeistert diese auf diese Aussicht reagiert. Aber die Vorstellung, daß man ein Kind gegen einen Kobold austauschen kann, ist eine tolle Sache, findet Mirla. Dann ist die dumme Puppe doch zu etwas Nütze! Und so kommt Mirla zu Krischka, dem Koboldskind, das von der kleinen Rabaukin hellauf begeistert ist – eine dicke Freundschaft beginnt. Nur schade, daß die Kobolde ihren Irrtum schnell erkennen, mit Puppen können sie nämlich nicht viel anfangen, und Krischka zurückholen wollen…
Und da stehe ich nun. Eine Idee, die mir gut gefällt. Eine kleine Heldin mit Ecken und Kanten. Und eine Länge, in der ich sonst nur ein gutes Kapitel schreibe. Wie soll das gehen? Wie soll ich meinen Plot in so wenig Zeichen quetschen? Muß ich am Ende Mirla in Ida umbenennen, um Zeichen zu sparen? Der Koboldsköder, so heißt das Buch, läßt mich verzweifeln. Dabei müßte es das gar nicht. Denn die ersten ‚Bücher‘, die ich geschrieben habe, waren auch nicht länger: Marlowe, Lime & Co., meine erste richtige abgeschlossene Geschichte, hatte auf der Schreibmaschine 35 Seiten, der Nachfolger Der Löwe von Aleppo ungefähr vierzig. Und das waren ganze, vollständige Geschichten, und ich mußte mich nicht etwa zusammenreißen, damit sie diese Länge bekamen, sie waren einfach so lang, wie sie werden wollten.
Vielleicht liegt es daran, daß ich heute maschinenschreiben kann. Wenn man im Zweifindersuchsystem tippen muß und für eine Seite anderthalb Stunden braucht, überlegt man sich jedes Wort lieber doppelt. Heute kann ich, wenn ich es drauf ankommen lasse, ansatzweise so schnell tippen, wie ich denken kann – muß sogar manchmal Pausen einlegen, um die nächsten Sätze zu formulieren – und Schreiben ist weder Aufwand noch Hindernis. Ich bewältige täglich mehr als das, was früher mein Wochenpensum war. Natürlich fördert das Geschwätzigkeit, und die sollte vielleicht etwas reduziert werden. Deswegen ist es sicher sehr gut, wenn ich mich an dieser Ausschreibung beteilige und versuche, wirklich mit der gegebenen Zeichenzahl hinzukommen: Man lernt wieder, sich beim Schreiben auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das kann einem T12er mit Jahresziel 500.000 Wörter nur gut tun.