Ende Dezember hatte ich ihn schonmal, den End-of-Book-Blues. Da war Geigenzauber so gut wie fertig, und es ging mir an die Nieren. Aber das ist kein Vergleich zu dem, wie es mir jetzt geht. Ich stehe kurz vor dem Ende der Gauklerinsel, nur noch der fehlende Epilog steht zwischen mir und dem magischen Wort ‚Finis‘. Und ich gebe mich dem entsetzlichen Heulen und Zähneklappern hin. Dieses Buch ist mir so sehr ans Herz gewachsen, ich liebe es über alles, und die Vorstellung, daß auf einmal alles vorbei sein soll, tut mir weh. Ich liebe meine Figuren, Rosi, Trotzki, Shaun, den Blonden, Maris, das Kind, alle, bis hin zur kleinsten Nebenfigur. Es soll nicht vorbei sein, nicht einfach so, nicht schon jetzt… Es macht eben doch einen Unterschied, ob man sieben Wochen an einem Buch schreibt oder vier Jahre.
Die ersten Wurzeln der Gauklerinsel liegen sogar noch länger zurück: Die Insel selbst ist zumindest dem Namen nach eine Idee, die ich im sechsten Schuljahr hatte, also 1986, und Rosi entstand für ein Briefrollenspiel, an dem ich 2001 teilgenommen habe, und auch Shaun ist damals entwickelt worden, und ich wußte immer, auch nach dem Ende des Rollenspiels, daß ich mit den beiden noch was machen will. Shaun, in seiner lebenden Variante, ist seit 2004 ein D&D-Rollenspielcharakter, und da wird er mir auch erhalten bleiben, es ist ja nicht so, daß all das endet, nur weil ein Buch fertig ist. Und doch, schreiben und spielen sind zwei paar Schuh, und diese Intimität, die ich mit meinen Figuren jetzt habe, die wrid definitiv zu ende gehen, wenn ich nicht mehr an der Geschichte schreibe.
Es heißt, der Schöpfer der berühmten Nofretete-Büste hätte den Gedanken nicht ertragen, das fertige Werk aus der Hand geben zu müssen, und darum das zweite Auge unvollendet zu lassen, aber das ist für mich keine Option: Wenn ich darauf verzichte, den Schluß zu schreiben, ist die Situation die gleiche, ich schreibe nicht mehr dran, dafür habe ich aber nichts, worauf ich stolz zurückblicken kann. Daher weiß ich, das Buch muß fertig werden, und das wird es auch, vielleicht heute noch oder schon morgen, und dann? Dann sind vier Jahre harte Arbeit, Lachen, Weinen, Wüten, endlich am Ziel angekommen. Und dann kommt die eigentliche Herausforderung: Dann muß ich das Buch überarbeiten. Und wieviel dann von meinen stolzen 800 Seiten übrig bleibt, das wird sich zeigen.
Aber gerade will ich all das nicht. Ich will mein Lieblingsbuch behalten, wo es hingehört: In der vordersten Kammer meines Herzens. Und das am besten für immer. Scheiden tut weh. Und mir besonders.