Wenn es eine Sache gibt, mit der ich hadere, sind das Mädchen-bekommt-Jungen-Happyends. Dabei bin ich kein Gegner von liebevollen Beziehungen, bloß nicht, ich lebe selbst in einer. Und ich glaube auch nicht, dass Romanheldinnen nicht das Recht auf eine glückliche Partnerschaft haben. Ich finde nur, dass sie nicht dazu gezwungen werden dürfen, nur weil irgendwelche Genre-Konventionen das vorsehen. Schon bei Geigenzauber habe ich versucht, ein Ende herbeizuführen, bei dem Mia am Ende stolz und frei in den Sonnenuntergang reiten sollte – nur dass sie dann doch sehr wahrhaftig verliebt war und ihren Branwell haben wollte, den sie dann auch bekommen hat. Aber jetzt, beim Haus der Puppen, und wieder habe ich eine Chance, gegen alle Normen zu verstoßen – alles, was mir dafür fehlt, ist ein Plot. Oder besser: War. Denn stand ich gestern noch ganz ohne da, ist nun, eine weitgehend schlaflose Nacht später, alles in Butter mit dem Plot. Und ich bekomme endlich das unkonventionelle Ende, nach dem ich mich gesehnt habe.
Eigentlich sieht alles ganz einfach aus: Florence entscheidet sich, ein Mensch zu bleiben, und findet an dem knackigen Feenjäger Alan mehr als nur eine Schulter zum Anlehnen. Nur was dabei fehlt, ist der Konflikt. Meine Freundin Aryana hatte Recht: Solange es für Florence keinen Grund gibt, warum sie Fee werden sollte, ist die Entscheidung keine. Aber wenn sie die Seelen nur als Fee retten kann… Und so entschied ich, an Florencens Stelle, dass sie am Ende tatsächlich ein Leben als Fee führen wird. Eine Fee und ein Feenjäger? Kann das gutgehen? Und muss sie überhaupt ausgerechnet Alan bekommen, für den sie selbst lange nur ein Werkzeug für seine eigenen Pläne war? Nein. Ich habe ein Buch geschrieben, in dem am Ende das Mädchen wider besseres Wissen den falschen Kerl bekommt – nochmal mache ich das nicht. Florence ist halsstarrig und willensstark. Sie will nicht ausgenutzt werden. Sie will lieben.
Und so wird dieses Buch nicht damit enden, dass die Heldin den Jungen bekommt, sondern das Mädchen. Lucy ist nicht nur süß und lieb, sie ist auch die positivste Figur im ganzen Buch. Man muss sie einfach gernhaben, oder, wie in Florencens Fall, lieben. Als die beiden Mädchen versucht haben, aus dem Feenhaus zu fliehen, fragte eine meiner Betaleserinnen zurecht, warum Lucy ohne Zögern einwilligt, mit Florence abzuhauen. Die Antwort ist ganz einfach: Weil sich Lucy schon längst Hals über Kopf in Florence verliebt hat. Sie würde alles tun, um ihr nahe zu sein, auch wenn sie sonst Welten und alle Konventionen trennen, nicht nur die des romantischen Romans, sondern auch die der edwardianischen Ära. Als Mensch kann Florence nicht einfach in einer Beziehung mit einer anderen Frau leben. Aber als Fee steht sie über solchen Dingen.
Und so wird das Buch ausgehen, mit junger, zarter Liebe, mit zwei Herzen, die einander erst erlösen müssen, mit zarten rosa Wolken über einem Haus voller Puppen. Es ist viel romantischer als wenn Florence Alan bekommt, der sie benutzt war und den sie dafür furchtbar hinter Licht führen wird – die beiden sind dann vielleicht quitt, aber nicht füreinander bestimmt. Und ich freue mich jetzt schon auf die Reaktionen der Verlage. Ob mich jemand auffordern wird, die Beziehung durch eine heterosexuelle zu ersetzen? Ich glaube nicht. Ich hatte soetwas schon einmal, als ein Verlag die Chroniken der Elomaran geprüft hat und fand, die homosexuelle Beziehung zwischen Halan und Alexander könne weibliche Leser abschrecken, aber ich habe damals meinen Standpunkt beibehalten, und das werde ich auch diesmal nicht tun. Es ist doch schön, wenn alles möglich ist: Das Mädchen bekommt den Jungen, das Mädchen das Mädchen oder der Junge den Jungen. Die schönste Welt ist die, in der nicht mehr Geschlechter andere Geschlechter lieben, sondern Menschen Menschen. So eine Welt will ich helfen zu erschaffen. Und wenn sie dann auch noch voller Feen ist, um so besser.