Während ich mich mit der Schattenuhr immer noch in literarischen Krämpfen winde, nur schleppend vorankomme und immer noch nicht ganz entschieden habe, ob ich mit dem Produkt bis jetzt zufrieden bin oder nicht, ist zumindest in meinem Hinterkopf eine Menge los. In weniger als einer Woche haben nicht weniger als vier Projekte an meine Tür geklopft – zwei alte Bekannte und zwei neue Freunde – und wollen alle ihr Stück von meinem Kreativitätskuchen abhaben. Ich musste sie erst einmal vertrösten, ich werde nicht die Schattenuhr beiseitelegen, weil ich fürchte, dass ich dann nie wieder in die Geschichte reinkomme, so wie ich im letzten Jahr Das Gefälschte Herz letztlich vor die Wand gefahren habe, aber dann bin ich bereit für alte und neue Ideen. Hier ist eine Kurzfassung dessen, was vorstellig geworden ist:
Das erste ich mehr eine rohe Idee als ein Konzept. Ich bin ja kein Fan von historischen Romanen, aber ich dachte, man könnte mal ein Buch über Elisabeth Tschech schreiben, die Tochter des Bürgermeisters Tschech, der 1844 ein Attentat auf König Friedrich Wilhelm IV. verübte. Elisabeth, achtzehn Jahre alt zum Zeitpunkt, als ihr Vater hingerichtet wurde, hat nicht nur ein Buch über sein Leben geschrieben, sondern war so sehr seinem revolutionären Geist verbunden, dass sie fortan selbst als gefährlich galt und überwacht wurde. Sie hatte Kontakt zu verschiedenen Revoluzzern und Anarchisten, bis sie 1851 nach Amerika auswanderte, wo sich ihre Spur verliert. Ich finde, das klingt nach einer interessanten Figur, der man ruhig etwas Aufmerksamkeit widmen könnte, und es gibt sicher abgedroschenere Epochen. Solange ich nichts mittelalterliches schreiben muss, bin ich ja zu Experimenten bereit, und einen Titel hat das Projekt schon – als Nachfolger zu der ebenfalls noch ungeschriebenen Tochter des Goldmachers wäre das dann natürlich Die Tochter des Attentäters.
Die andere neue Idee hat noch keinen Titel und läuft unter dem Schlagwort Marigold, was, wie man sich denken kann, der Name der Hauptfigur ist. Der zweiten Hauptfigur, muss man sagen, denn im Mittelpunkt steht wieder einmal mein guter Freund Percy, hier in seinem dritten Abenteuer. Noch ein Grund, warum die Schattenuhr vorher fertig werden muss – ich hatte das Chaos einmal, als bei den Elomaran plötzlich das zweite und dritte Buch parallel in Arbeit waren und ich leicht den Überblick verloren habe. Marigold Templeton jedenfalls hat nicht nur goldene Locken und den Namen einer großen Romanheldin, gutes Aussehen und sein sonniges Gemüt, sondern auch ein kleines Problem: Alle, die ihr nahestehen, sterben an einer rätselhaften Krankheit, die nur Marigold verschont. Es wird jedoch vermutet, dass sie wie die Typhus-Marie Überträger dieser Krankheit sein könnte, und so wächst sie isoliert auf einem Landgut auf – umgeben von den Geistern ihrer Lieben, die ihr den Alltag versüßen. Nur, dass es nicht die Geister ihrer Lieben sind – sondern deren Mörder… Das Buch wird chronologisch an die Schattenuhr anknüpfen, sich aber wieder stärker auf die Kernkompetenzen der Mohnkinder besinnen mit zwei parallelen Handlungssträngen und einem Spukhaus. Ich freue mich schon darauf, es zu schreiben.
Bei den alten Ideen handelt es sich um eine fünf Jahre alte Baustelle und einen Wiederholungstäter. Zum einen hat sich Kjerom Otrempa, von den Kindern des Hauses Otrempa wieder gemeldet und sagt, auch wenn ich im letzten Winter ein Probekapitel fabriziert habe, das so nicht funktionerte, soll ich die Idee nicht aufgeben und es mit einem anderen Ansatz versuchen. Er hätte auch gerne eine menschenverlassene Stadt zum Herumirren für ein paar Szenen, die Traum oder Wirklichkeit sein können. Ist notiert, Kjerom. Vielleicht im Nano. Womit ich bei meiner Lieblingsbaustelle wäre: Lichtland, Nanowrimo-Roman von 2007, undvollendet bei 350 Normseiten und niemals ganz aufgegeben. Die Geschichte entwickelt sich so langsam, dass es wieder ein elend langes Buch zu werden droht, und es wird furchtbar viel geredet, und es ist ein Roadmovie mit letztlich sehr wenigen Figuren. Aber ich habe heute nochmal alles, was ich im letzten Jahr daran geschrieben habe – mehr als Lückenfüller, weil ich sonst überall gehangen habe – gelesen, und es war in meinen Augen gut, sehr gut sogar. Daran kann und will ich anknüpfen, aber es eilt nicht. Nach fünf Jahren muss man sich nicht hetzen. Das Buch hat Zeit, und Shen ist unsterblich.
Das sind sie also, meine neuen Pläne. Aber vorher, versprochen, bringe ich die Fäden in der Schattenuhr endlich zusammen und schließe das Buch ab. Es ist nämlich nicht so, dass ich nicht auch noch ein paar neue Ideen für Percy und Howard bekommen hätte. Und ich hoffe, am Ende kommt doch etwas heraus, worauf ich stolz sein kann.