Uffz. Dreimal uffz. Ich habe den Quattrick geschafft. Vier Bücher in einem Jahr fertiggesschrieben – aber was sich davon gerade wie der größte Erfolg anfühlt, ist das Vierte. »Zornesbraut«, das fünfte Buch der »Chroniken der Elomaran«, ist fertig. Dass es rund 650 Seiten hat, rund 170.000 Wörter, das ist nicht das, was diese Leistung so gewaltig macht. Dicke Bücher habe ich auch früher schon geschrieben, und »Das Lächeln des Mondes«, der erste Band der »Tränenjäger«, was im April fertiggeworden ist, hat einen vergleichbaren Umfang. Nein, das Besondere in diesem Fall ist der Zeitraum, in dem das Buch entstanden ist.
Ich habe schon öfter lang an einem Buch geschrieben. Sechs Jahre waren es an »Geisterlied«, acht am »Gefälschten Herz« – über solche Zeiträume kann »Zornesbraut« nur lachen. Nicht weniger als siebzehneinhalb Jahre ist es her, dass ich, am 23. Mai 2006, mit dem Prolog angefangen habe. Damals lebte ich noch im Münsterland, war arbeitslose Bibliothekarin und ebensolche Buchhändlerin, hatte noch nie einen Nanowrimo geschrieben, und hielt die sechs Jahre, seit ich an die Arbeit an den »Chroniken der Elomaran« begonnen hatte, für eine lange Zeit.
Eindunddreißig Seiten schrieb ich in diesem ersten Jahr an »Zornesbraut«, und ähnlich gemütlich ging es weiter. Bis 2010 kamen jedes Jahr irgendwas zwischen dreißig und fünfundvierzig Seiten hinzu – »Zornesbraut« hatte es nicht eilig, und das aus gutem Grund: Es war der fünfte Band der Chroniken, und als ich es anfing, war der dritte Band noch nicht fertig. Erst, als ich meine Agentur hatte und auch das vierte Buch endlich fertig war, kam ein bisschen mehr Bewegung in die Sache. 2011 schrieb ich immerhin stolze sechsundneunzig Seiten an »Zornesbraut«, war im siebten Kapitel angelangt und hatte das Kunststück geschafft, beide Handlungsstränge in einem Buch unterzubringen – als mir der Plot ausging und, weil die Verlagssuche gescheitert war, auch die Lust. Und ich ließ das Buch liegen, zwölf lange Jahre lang.
Das ist ein anderer Rekord, auf den ich stolz bin. Nach zwölf Jahren Pause nochmal in ein schon aufgegebenes Buch wieder reinkommen – dass ich das geschafft habe, ist ein weiteres »Uffz!« wert. Aber plötzlich wuppte es. Plötzlich war ich wieder drin in meinem Opus Magnum. Das Buch wuchs, wurde dicker und dicker, und es näherte sich dabei immer mehr einem Ende an, das ich fürchtete. Ich weiß ja oft im Vorfeld nicht, wie ein Buch ausgehen wird. Das Ende von »Zornesbraut« kannte ich, da hatte ich noch nicht einmal den Prolog angefangen. So lange war sie geplant, die Katastrophe, und das meine ich hier ganz im Sinn der griechischen Tragödie. Mir graute vor diesem Ende, in dem so viel kaputtgeht, was ich beinahe vierundzwanzig Jahre aufgebaut habe …
Im Oktober ließ ich »Zornesbraut« dann liegen. Es fehlte nur noch das letzte Kapitel, aber das war das Kapitel mit dem Paukenschlag. Ich wusste, ich will das Buch feritgstellen, bevor das Jahr rum ist, aber vorher waren andere Dinge zu erledigen. »Die vierte Wand« hatte Vorrang, weil bereits verkauft; der Nanowrimo wollte geschrieben werden, und in bester Elomaran-Tradition, den neuen Band zu beginnen, bevor der alte fertig ist, schrieb ich schon mal zwei Kapitel für das sechste Buch, das gegenwärtig unter dem Arbeitstitel »Himmelsgrund« läuft. Aber dann, im Dezember, als der Nano rum war und die »Vierte Wand« im Kasten, gab es kein Weglaufen mehr. »Zornesbraut« musste fertig werden. Und so schrieb ich die letzten sechsunddreißig Seiten, ich führte die Katastrophe herbei, und ich beendete das Buch.
Das war gestern. Und ich blieb völlig erschüttert zurück. Dieses Ende hat mich mitgenommen. Das Buch endet mit mehr als nur zerschlagenem Porzellan, mit mehr als nur einem Cliffhänger. Es ist der Wendepunkt der ganzen Reihe, ein Point Of No Return, nach dem nichts mehr so sein wird, wie es war. Ich bin nicht glücklich mit den Entwicklungen im fünften Band. Ich halte sie für gut gelungen, so ist das nicht – aber was passiert ist, bricht mir das Herz. Ich bin empfindsam, ich mag es harmonisch, und dann sollte ich vielleicht keine epische Fantasy schreiben, sondern cozy Romance, und da steh ich jetzt. Der Abgrund erhebt sich. Das habe ich mir so ausgedacht, ich habe niemanden, bei dem ich mich beschweren kann, als mir selbst, aber es macht mich trotzdem fertig.
Eh ich mich wirklich ans sechste Buch mache – die Szenen, die ich im Oktober geschrieben habe, mal außen vor gelassen – muss ich plotten, nicht nur für dieses Buch, sondern auch für die folgenden. Auf acht Bände ist diese Reihe angelegt, acht Bände, drunter tu ich es nicht – aber mehr sollen es wirklich nicht werden, acht ist die Zahl der Engel, und das heißt, ich habe nur noch drei Teile, diese Geschichte zu einem Ende zu bringen. Und das fühlt sich gerade irgendwie wie ziemlich wenig an, verglichen damit, wie viel Plot noch kommen soll.
Aber eines nach dem anderen. Erst einmal verdaue ich jetzt das, was ich in den letzten Tagen geschrieben habe. Schicke das fertige Buch an meine Mutter, die mich im Sommer ja überhaupt erst dazu gebracht hat, wieder an den Elomaran zu arbeiten. Lasse das Jahr gemütlich ausklingen. Im Februar feiern die Elomaran ihren vierundzwanzigsten Geburtstag. Bis dahin will ich wissen, wo es hingeht. Diese Geschichte bedeutet mir so viel, ich weiß nicht mehr, wie ich zwölf Jahre lang darauf habe verzichten können. Und noch so eine Pause daran wird es nicht mehr geben. Großes Engelehrenwort.