Es ist noch eine Woche hin, bis der Nanowrimo beginnt, für mich die schönste Zeit des Jahres und traditionell mein persönliches Schreib-Highlight, und ich bin noch nicht so recht in Nani-Stimmung. Zum Teil liegt es daran, dass ich immer noch an den Folgen einer Covid-Infektion herumkaue, die wirklich mild verlaufen ist, aber dazu geführt hat, dass ich seit vier Wochen mit Husten und Schnupfen zu kämpfen habe – wirklich nichts gravierendes, aber gesund bin ich eben nicht, und ich merke es vor allem, wenn ich schlafen will. Zum anderen liegt es aber leider auch an meinen Projekten.
Wie in jedem Jahr gibt es auch in diesem Jahr bei mir den Doppelnano, aber wirklich, wenn das nicht meine Tradition wäre, die ich nicht einreißen lassen möchte, würde mir in diesem Jahr auch ein einfacher Nano genügen. Mein Jahresziel habe ich im Kasten, auf die Wortzahl kommt es mir gar nicht mehr so sehr an, da habe ich dieses Jahr ohnehin meinen persönlichen Rekord gebrochen – aber ich will einfach, dass der Nanowrimo eine Herausforderung ist, und das ist er nicht, wenn ich nur das gleiche schreibe wie in nahezu allen anderen Monaten dieses Jahres. Das wäre kein Highlight, nur der Status Quo. Also wird es schon der Doppelnano, nur aus anderen Gründen als sonst.
Und ich möchte, dass sich ein Kreis schließt: Den ersten Doppelnano habe ich nämlich 2011 geschrieben, in dem ersten Jahr, in dem ich mir ein Jahresziel von 500.000 Wörtern gesetzt und das, damals dank Doppelnano, auch geschafft habe. Wirklich, dieses spektakel bedeutet mir jedes Jahr wirklich sehr viel, ich richte meinen ganzen Alltag danach aus – und ich plane akribisch, wähle meine Projekte sorgsam aus und sehe zu, dass ich mit zwei Büchern an den Start gehe, die ich wirklich über alles liebe.
Natürlich, manchmal gibt es externe Fakten, die mir meine Nano-Projekte diktieren. Sowohl 2019 als auch 2020 habe ich im Nanowrimo an meinem »Gefälschten Land« geschrieben, weil ich dafür einen Vertrag hatte und den Nano brauchte, um mit dem Buch voranzukommen. 2021 war das erste Buch meiner »Tränenjäger« für den Nano gesetzt, weil ich das PAN-Stipendium gewonnen hatte und der Nanowrimo genau in den Förderzeitraum fiel. Aber dieses Jahr habe ich wirklich die freie Auswahl. Ich habe zwar gerade einen Vertrag unterschrieben und muss bis Ende des Jahres »Die Vierte Wand« abgeben, damit das Buch im kommenden Herbst erscheinen kann – aber mit dem Buch bin ich so gut vorangekommen, dass daran nicht mehr viel zu tun ist, und sollte ich nicht mehr im Oktober fertigwerden, habe ich immer noch den Dezember dafür und kann im Nano sozusagen meinen Jahresurlaub nehmen und schreiben, was ich will.
Das Problem ist nur: Anders als in anderen Jahren bin ich gar nicht so sicher, was ich will. Zumindest, wo es um mein zweites Projekt geht. Beim ersten ist alles so, wie es sein soll. Da will ich »Funkenschwarz« schreiben, und das lieber heute als morgen. Da habe ich gute Vorarbeit geleistet, eine Menge geplottet, meine Figuren kennengelernt, aber noch genug weiße Flecken übrig, um auch im Nanowrimo anständig was zu denken zu haben. Ich mag es nicht, ein Buch zu gründliche geplottet zu haben und es dann nur noch schreiben zu müssen – da ist der ganze Spaß weg, und alles, was noch bleibt, ist die Arbeit.
Für »Funkenschwarz« habe ich eine Outline, ich habe Kulissen, in denen ich meine Figuren aufstellen muss, und die letzte Frage, die ich mir noch vor dem Nano beantworten möchte, ist, wie die Stadt heißen soll – da habe ich jetzt verschiedene Ideen, die alle auf cornischen Sprache basieren, weil auch meine Figuren ans Cornische angelegte Namen haben. Aber keine der Varianten gefällt mir wirklich, nichts will wippen, und ich tendiere schon wieder dazu, alle Namenspläne über den Haufen zu werfen und der Stadt gar keinen Namen zu geben, so wie ich das bei den »Stadtkindern« getan habe und beim »Lied aus Glas«, und auch auf der »Gauklerinsel« hieß die Stadt nur »diese Stadt«, und das reichte auch aus. Es läuft also auch hier auf eine namenlose, große, dreckige Stadt hinaus, und vielleicht mache ich das zu meinem Markenzeichen – aber wenn man davon absieht, könnte ich wirklich sofort loslegen. Und wenn nicht heute, dann eben am kommenden Mittwoch. Passt schon.
Bleibt Projekt Nummer Zwei, und da hinke ich in meinen Vorbereitungen gewaltig hinterher. Ich habe Wochen gebraucht, um mich überhaupt für ein Projekt zu entscheiden. Ich habe den Tintenzirklern drei verschiedene Ideen gepitcht, und da war die Tendenz, dass ich die »Pfennigfüchse« schreiben sollte, mein Zeitreisen-Kinderbuch, aber für das hätte ich mehr recherchieren müssen, als ich noch Zeit gehabt hätte, und überhaupt stehe ich mit der Geschichte noch ganz am Anfang und möchte eigentlich etwas mehr Zeit haben, das Setting zu entwickeln, schließlich soll es auf verschiedenen Zeitebenen funktionieren. Aber Lust darauf hätte ich schon gehabt, das muss ich zugeben.
Idee Nummer Zwei war der Neuaufguss von »Klagende Flamme«, meinem Romanwrack von 2003, das ich einschließlich seines unbedacht rassistischen Hintergrunds in die Tonne getreten habe und von dem ich plane, es minus Rassismus neu aufzuziehen – auch wenn es bedeutet, noch mal bei Null anfangen zu müssen. Das wäre ein ordentliches Nano-Projekt gewesen, aber im Tintenzirkel hat es niemanden abgeholt, und ich liebe die Idee gerade auch nicht. Und so hat sich auch »Klagende Flamme« nicht durchsetzen können.
Hängengeblieben bin ich dann, mehr aus Vernunft denn Begeisterung, beim zweiten Buch meiner »Tränenjäger«. Da habe ich bereits im April den ersten Band fertiggestellt, mit großer Liebe und Hingabe, habe mich jeden Tag aufs Schreiben gefreut und die Geschichte über alles geliebt – und dann, als die letzten Seiten im Kasten waren, nichts mehr an der Reihe gemacht. Und wenn ich eines nicht will, dann, dass die »Neunte Träne« zum Rohrkrepierer wird. Ich hatte das schonmal bei meinen »Schattenklingen« – da habe ich den ersten Band fertiggestellt, nur um dann mit dem zweiten nie in den Quark zu kommen. Für meine »Träne« habe ich so viel Material in der Hinterhand – aber was ich nicht hatte, war konkreter Plot für den zweiten Band. Nicht im Mai, und nicht in en Monaten drauf – und während ich mit meinen »Chroniken der Elomaran« wieder voll auf der High Fantasy-Schiene fahre, sind meine »Tränenjäger« da nach hinten weggerutscht.
Aber noch mal mache ich den Fehler nicht. Noch mal verliere ich keine Reihe so aus den Augen. Und so habe ich beschlossen, im Nanowrimo die Fortsetzung zu schreiben, das zweite von vier Büchern, oder besser gesagt: das erste Drittel des Buches zu schreiben, denn der erste Teil hat über sechshundert Seiten, und der zweite soll ähnlich dick werden: In einem Nano schaffe ich das nicht, aber ich kann dort immerhin einen guten Start hinlegen. Und wenn ich mich auf meinen Hintern setze, so die Idee, bekomme ich auch den Plot für den zweiten Band zusammen – der mir offenbar nicht mal eben nebenbei zugeflogen kommt, denn dafür hätte er ja monatelang Zeit gehabt. Und so wurden die »Tränenjäger« zum gesetzten zweiten Projekt.
Unglücklich bin ich nicht mit der Entscheidung. Mir sind genug Ideen gekommen, um das Buch in Angriff zu nehmen, und das ist gut – ich kann mich am nächsten Mittwoch hinsetzen und einen schönen Prolog und den Anfang eines ebenfalls schönen ersten Kapitels schreiben, die Figuren sitzen, die Welt habe ich, auch wenn mir noch immer die Landkarte dazu fehlt, genug im Kopf, um munter draufloszuschreiben. Aber ich kann nicht sagen, dass ich gerade für dieses Projekt brenne, wie ich es mit »Funkenschwarz« tue. Ich bin irgendwie ziemlich gleichgültig, und das ist schade. Ich habe vor, mit diesem Buch viel Zeit zu verbringen, im November und dann im neuen Jahr, und »meh« ist da die falsche Einstellung.
Vielleicht liegt es daran, dass es der zweite Band ist und nicht ein brandneues Projekt, an dem ich im Nano die allerersten Seiten schreibe. Vielleicht sind die Charaktere zu sehr wie ein paar gut eingelaufener Schuhe, vielleicht sollten sie mich noch mehr drücken und kneifen. Vielleicht ist es auch die Kombination aus zu vertrauten Figuren und zu wenig konkreten Plotideen – aber es ist nur noch eine Woche hin, bis der Nanowrimo startet, und so kurzfristig mag ich mich nicht mehr umentscheiden. Ich habe auch keine andere Idee, die ich lieber schreiben würde. Ich habe einfach ein Projekt, in das ich ganz vernarrt bin, und das andere ist mehr eine Vernunftsehe. Und ich wäre lieber in beide Bücher ganz vernarrt.
Aber ich habe auch Nanos gewonnen, in die ich mit weniger Liebe reingestartet bin, und Nanos verloren, für die ich echt gebrannt habe. Wie es wirklich läuft, wird sich erst nächste Woche zeigen. Und seit ich letzte Nacht eine echt schöne Idee für den Prolog des zweiten »Tränen«-Bandes hatte un mit »Der gestohlene Quell« jetzt auch einen Arbeitstitel, der mir gefällt, gehe ich eigentlich ganz gutgelaunt an diesen zweiten Nano ran. Ich rechne nicht damit, dass im Forum viele meinem Romanthread dazu folgen werden – und vor zwei Jahren, beim ersten Band, hat mich das noch runtergezogen. Aber da musste ich auch mein zweites Projekt, das mit den Mitlesern, nach einer Woche aus Termingründen fallenlassen. Dieses Jahr kann ich »Funkenschwarz« für das Publikum schreiben und die »Neunte Träne« für mich selbst, friedlich und ohne Druck dahinter. Und damit hoffe ich einfach, dass der Nano besser laufen wird und mehr Spaß machen wird als der von 2021.
Es ist noch eine Woche hin, bis der Nano startet. Und von mir aus darf er kommen.