Genau neunzehn Jahre ist es her. Am 27. November 1999 stand ich in der alten Post im Kölner Hauptbahnhof, dort wo heute die Buchhandlung Ludwig ihren Laden hat, früh am Morgen, noch ehe meine Arbeit als Buchhandelsauszubildende anfing, und schickte hämmernden Herzens ein Paket nach Stuttgart. Der Inhalt: ein Packen Papier, eine halbe Patrone Druckertinte und all meine Hoffnungen. Die Fantasy-Lektorin bei Klett-Cotta hatte nach Lektüre von Exposée und Leseprobe meines Debütromans »Eine Flöte aus Eis« das Gesamtmanuskript angefordert, und das weniger als eine Woche nach Einsendung. Dass das ganz unerhört großartig war, das wusste ich.
Wie selten es wirklich vorkommt, dass Lektoren nach so einer unverlangten Einsendung überhaupt das Manuskript anfordern, konnte ich noch nicht erfassen, das kam erst nach und nach, viele kommentarlose Ablehnungen später, aber damals, im November 1999, hatte ich gerade meine allererste Verlagsbewerbung überhaupt abgeschickt, an den einen Verlag, bei dem ich unbedingt veröffentlicht werden wollte. Im Nachhinein kann schwer nachvollziehen, was die Lektorin in meiner Leseprobe gesehen hat. Oder in dem Exposée. Wirklich, das Exposee war graußlich! Und das Buch, so sehr ich es auch liebte, so gut auch wieder nicht. Ehrlich, ich würde in der gleichen Situation wahrscheinlich eine kommentarlose Absage rausschicken, aber die gute Frau forderte das Manuskript an, und auch wenn sie es ein halbes Jahr später dann doch ablehnte, konnte ich noch Jahre später davon zehren.
Der Zufall will es, dass es genau neunzehn Jahre später war, auf den Tag genau, dass ich ein Paket packte, um es nach Stuttgart zu schicken: Die von mir abgesegneten, durchgesehenen und mit letzten Änderungen versehenen Korrekturfahnen, die Druckfreigabe für mein »Gefälschtes Siegel«. Im kommenden Frühling, am 28. Februar, ist es soweit: Das Buch erscheint. Im Traumverlag. Im Hardcover. Hätte jemand damals mir, Anfang zwanzig, gesagt, dass ich nochmal neunzehn Jahre warten muss, bis wirklich ein Buch von mir in diesem Verlag erscheinen würde – ich hätte vor Frust und Verzweiflung vielleicht ganz darauf verzichtet, mich zu bewerben. Bringt ja sowieso nichts. Neunzehn Jahre! Aber rückblickend muss ich sagen: Es waren neunzehn kurze Jahre, neunzehn schöne Jahre, neunzehn Jahre, in denen ich extrem viel dazugelernt habe.Wenn ich heute nochmal in meine »Flöte aus Eis« reinlese, bin ich heilfroh, dass sie damals nicht erschienen ist, dass ich noch die Zeit zum Lernen und Wachsen hatte. Um so froher bin ich um das Buch, das jetzt erscheint, wo ich es mir verdient habe mit Wartesemestern, Blut und Tränen – dieses Buch, und diejenigen, die ihm folgen sollen.