Alle paar Jahre kommt das vor, und jetzt ist es wieder passiert: Ein Traum, so fesselnd und packend, dass ich ihn gleich nach dem Aufwachen als Roman niederschreiben könnte. Ich träume immer sehr kreativ, sehr wild und intensiv, aber üblicherweise auch entsprechend wirr, und das wenigste, das im Traum selbst noch wie ein echt toller Plot erscheint, sieht auch im Wachzustand so aus. Aber manchmal werde ich wach, und der Traum hält das Tageslicht aus und ist immer noch eine tolle Geschichte. Auf diese Weise ist »Geisterlied« entstanden, und die Grundidee der auf Eis liegenden »Kinder des Hauses Otrempa«, und nun stehe ich da mit Glücksstadt.
In meinen Träumen bin ich üblicherweise nicht ich selbst. Figuren aus meinem täglichen Umfeld treten in den allerwenigsten meiner Träume auf, sie haben ihr eigenes Setting, ihre eigenen Haupt- und Nebenfiguren, aber sie werden trotzdem beeinfluss von meinem eigenen Leben. Oder, in diesem Fall, den Hobbys meines Mannes. Der ist, wie ich auch, leidenschaftlicher Gamer, aber wir spielen unterschiedliche Spiele. Ich mag Puzzlespiele, Egoshooter, Walkingsimulatoren, während mein Mann in Strategiespielen nd Simulationen aufgeht. Jetzt haben es die Städtebausimulationen in meinen Traum geschafft und sich dort selbständig gemacht.
Disclaimer: Ich habe selbst noch nie eine Städtesim gespielt und habe mein Wissen aus zweiter Hand, aber mein Eindruck ist, dass neben dem Einkommen, das eine Stadt generiert, die wichtigste Währung im Spiel die Zufriedenheit der Einwohner ist. Zufriedene Einwohner sind produktiver, vor allem aber bleiben sie einem erhalten. Unzufriedene Einwohner wandern ab – nur, wohin? Hier also setzt mein Traum ein. Hauptfiguren: eine Gruppe Einwohner einer simulierten Stadt. Einkommensklasse C2, das heißt, alle Einrichtungen, Restaurants, Unterhaltungsangebote der Stufen C3 und drüber sind ihnen verwehrt. Nur betrinken darf man sich immer – Hauptsache, die Zufriedenheit stimmt.
Die Zufriedenheit wird ständig überwacht. Wer nicht zufrieden genug ist, verschwindet. Der Spieler soll denken, sie sind in eine andere Stadt umgezogen – aber es gibt keine anderen Städte. Es gibt nur diese eine Stadt, und so simuliert sie sein mag, so echt sind ihre Einwohner. Wer unzufrieden ist, hör auf zu existieren. Und wo der Spieler darauf bauen kann, dass schon neue Einwohner nachkommen, ist es für diese ein täglicher Kampf ums Überleben. Nur ja glücklichsein, egal wie mies die Lebensumstände sein mögen, denn wer nicht mit einem zufriedenen Dauergrinsen durch den Tag geht, riskeirt alles.
Natürlich, der Spieler setzt alles daran, die Zufriedneheit seiner Einwohner zu erhöhen. Grotest hässliche Monumente wachsen aus dem Boden, um in ihrem Umkreis die Zufriedenheit zu erhöhen. Schlechte Wohnviertel werden demontiert und durch bessere ersetzt, die Bewohner sind daran gewhönt, dass Straßen ihre Führung enden und Busse kurz vor dem Ziel umkehren und quer durch die Stadt zur Tankstelle fahren, auf die Gefahr hin, dass sie ihre Arbeit erst spät am Abend erreichen – aber auch wer sechzehn Stunden im Nahverkehrt festsitzt, hat keine Wahl, als zufrieden zu sein, weil sonst …
Es war ein cooler Traum. Drei Tage später lässt er mich immer noch nicht los und arbeitet hinter meiner Stirn weiter, vor allem, wnen ich zu schlafen versuche. Dabei weiß ich diesmal, dass ich aus dieser Idee kein Buch machen werde. Der einfachste Grund dafür: diese Geschichte ist meinen »Stadtkindern« zu ähnlich. Natürlich, die Themen sind ganz andere, aber die Städte selbst ähneln sich zu sehr. Die Stadt, die sich ständig verändert, hatte ich schon. Und die Dystopie, in der alles bis hin zum Lächeln reglementiert hat, habe ich bereits in meinem Kinderbuch »Unten« thematisiert. Ich bin nicht böse deswegen – neue Ideen habe ich auch so genug, und alte, die ich vorher noch zuende bringen möchte, auch. Wenn ich aus diesem Traum wirklich einmal etwas machen will, muss ich etwas darin finden, das es so klar von den anderen Büchern abgrenzt, dass niemand mehr die Parallelen sieht. Was so schnell nicht passieren wird.
Aber wenn ich in drei, fünf, zehn Jahren einmal etwas aus dieser Geschichte mache, dann kann ich auf diesen Traum Bezug nehmen und sagen: So hat alles angefangen. Mit einem Mann, der hunderte von Spielstunden in »Workers and Ressources« und »City: Skylines« hat. Und mit dem Wissen, dass es zum Glück nur ein Traum war, dass ich gute Tage haben darf und schlechte, und selbst wenn sie einmal ganz schlecht sein sollten, ich trotzdem ich bleibe und nicht plötzlich aufhöre zu existieren. Dies ist nicht Glücksstadt. Und das ist gut so.